Das führende europäische Fachmagazin für Spinnentiere »ARACHNE« ist das zweimonatlich erscheinende Publikationsorgan der Deutschen Arachnologischen Gesellschaft e.V. (http://www.dearge.de).
Sie umfasst ca. 50 Seiten und befasst sich mit Themen rund um Spinnentiere - mit Ausnahme der Ordnung Acari (Milben) - wobei der Schwerpunkt bei den Theraphosidae (Vogelspinnen) liegt.
1. 9. Jahrgang
Heft 6
November 2004
Deutsche Arachnologische Gesellschaft e.V.
in dieser Ausgabe:
• Pflanzen im Vogelspinnen-Terrarium – Teil 2:
Orchideen und Tillandsien
• Naturbeobachtung am Rande des Krieges
• Skorpione – eine kurze Übersicht
Teil II: Systematik und Bestimmungsschlüssel
• Bemerkungen und Beobachtungen zur Haltung
und Zucht von Holothele incei (F.O. P.-CAMBRIDGE,
1898)
ISSN 1613-2688
2. ARACHNE 9(6), 2004 ARACHNE 9(6), 2004
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Pflanzen im Vogelspinnen-Terrarium – Teil 2: Orchideen
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Skorpione – eine kurze Übersicht
nächsten Ausgabe veröffentlicht. Wir veröffentlichen Die Vervielfältigung jedweder Art (auch auszugsweise) Teil II: Systematik und Bestimmungsschlüssel . . . . . . . . 10 - 17
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Titelfoto: Holothele incei, junges Weibchen
Bemerkungen und Beobachtungen zur Haltung und
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3. ARACHNE 9(6), 2004 ARACHNE 9(6), 2004
Pflanzen im Vogelspinnen-Terrarium – Teil 2: Orchi- brauchen und nach einem Sprühen schnell Behältern ab 50 x 40 x 40 cm (Breite x Tiefe
wieder abtrocknen müssen, damit sie nicht x Höhe) lassen sich die Pflanzen gut pfle-
deen und Tillandsien zu faulen beginnen. Hier sollte man lieber gen, aber selbst hier reicht eine Pflanze als
von Kerstin Wandtke auf Moos zurückgreifen, um damit die Wur- Blickpunkt völlig aus.
zeln einzupacken. Zum Schluss muss alles Eine Doppellüftung des Behälters ist
sparsam und nicht zu fest mit Angelsehne dringend erforderlich, denn nur wenn eine
Bei Orchideen handelt es sich um ökolo- Orchideenpflege aber, zumindest zeitweise, umwickelt werden. Man sollte vor dem Auf- Or chidee eine hohe Luftfuchtigkeit ohne
gisch sehr spezialisierte Vertreter des Pflan- sind diese Verhältnisse absolut notwenig. binden nicht zu viel altes Substrat vom Wur- Staunässe hat, ist die Gefahr des Faulens der
zenreichs. Deshalb ist absolute Vorsicht bei Weiterhin spielt auch die Größe und der zelballen lösen oder die Wurzeln gar einkür- Pflanze geringer.
Spontankäufen dieser Pflanzen geboten, zu- Aktionsradius der Terrarieninsassen eine zen wollen. Die Temperaturansprüche sind inner-
mal Pflanzen dieser Gattungen oft recht nicht unerhebliche Rolle. Eine adulte Poecilo- Als Unterlage eignet sich am besten nur halb der einzelnen Gattungen so unter-
teuer und ohne jede Pflegeanleitung ver- theria regalis wird einen Blütenstand aufgrund die neutrale Korkrinde, denn Orchideen schiedlich, dass ich hier die »Kalthaus-
kauft werden. Demgegenüber steht häufig ihrer Größe und ihres Gewichtes recht sind salzempfindlich und brauchen eher Orchideen« nicht berücksichtige. Diese wür-
der Wunsch, diese zum Teil recht bizarren schnell zerstören. Weiterhin wird jede Or- nährstoffarme Böden. Das Stück Kork soll- den es in keinem warmen Terrarium lange
Königinnen des Pflanzenreichs im Terrari- chi dee früher oder später eingehen, wenn te auch nicht zu groß dimensioniert sein, aushalten. Für den Laien lassen sich diese
um zu pflegen. Zudem werden fast alle Ver- ihr Substrat, ihr Herz (der Punkt, aus dem damit bei einer späteren Entnahme aus un- Orchideen leicht daran erkennen, dass sie
treter der Orchideen und Bromelien sehr neue Blätter geschoben werden) oder ihre serem Terrarium nicht die ganze Einrich- überwiegend Bulben (Speicherorgane) besit-
groß und ausladend im Wuchs. Ich möchte Blätter von der Vogelspinne laufend als tung ins Wanken gerät. Orchideen sollten zen. Das sind konische Verdickungen, an
hier einige der kleiner bleibenden Vertreter »Toilette« genutzt werden. nur sehr sparsam gedüngt werden und wäh- denen sich die Blätter und Blüten bilden.
verschiedener Gattungen und Arten vorstel- Es kommt noch erschwerend hinzu, dass rend ihrer Wachstumszeit auch nur mit hal- Eine Orchidee sollte auch nicht fest im
len, mit denen es auch der Laie auf diesem so ziemlich alle Orchideen eine mehr oder ber Konzentration. Für die Dauer der Ruhe- Terrarium verbaut werden. Es ist besser
Gebiet versuchen könnte. weniger intensive Winterruhe brauchen um periode ist keine Düngung erforderlich. wenn das Korkstück auf dem sie sitzt, mit
gesund zu bleiben. Demzufolge können und Zur Erhöhung der Luftfeuchtigkeit wird Draht an anderen Einrichtungsgegenstän-
ORCHIDEEN sollten Orchideen nicht das ganze Jahr über der Behälter einmal täglich übersprüht. Da- den (Rückwand, Ast etc.) befestigt wird, um
bei gleichbleibendem Klima im Terrarium bei dürfen auch die Orchideen nicht verges- die Pflanze jederzeit wieder aus dem Becken
Diese schönen Pflanzen brauchen bei einer verbleiben. sen werden, vor allem sollte man nicht den nehmen zu können. Ein eher kleines Kork-
ho hen Luftfeuchtigkeit ein durchlässiges Wie man sieht ist es nicht ganz einfach Wurzelbereich auslassen. Gesprüht wird am stück ist zum Befestigen der Pflanze gut ge-
Substrat, viel Licht und viel frische Luft. Da- eine Orchidee gesund zu halten, und in un- besten morgens, weil die Pflanze bis zum eignet. Auch Warmhauspflanzen mögen es
durch kommt man allerdings auch schon seren Terrarien ist dies noch schwieriger als Abend wieder abtrocknet. Nachts steigt die über Winter etwas kühler. Wenn wir im Ter-
recht schnell an die Grenzen der Haltbarkeit zum Beispiel auf der Fensterbank oder in relative Luftfeuchte von allein wieder an. rarium die Temperatur nicht senken können
dieser Pflanzen, da unsere Terrarien zumeist der Blumenvitrine. Bei der Pflege von Orchideen ist die Be- oder wollen, bietet sich eine Entnahme der
recht klein bemessen sind. Die Behälter, die hältergröße auch sehr wichtig. Sogar kleinere Orchidee an.
für eine Orchidee in Frage kommen, sind KULTURANSPRÜCHE Orchideenarten bekommen häufig bis zu
eher im Bereich »Baumvogelspinnen«, also über 20 cm lange Blätter. Der Blütenstand GEEIGNETE ARTEN
für Avicularia-, Poecilotheria-, Psalmopoeus- oder Es empfiehlt sich, Orchideen in unseren kann bis zu 50 cm Höhe erreichen und von
Tapinauchenius- und Iridopelma-Arten anzusie- Terrarien nur in Blockkultur zu halten, das aufrecht stehend bis überhängend gibt es Aerangis biloba (IV-VII), A. brachycarpa (VIII-
deln. heißt dass sie aufgebunden werden. Hierü- jede Wuchsform. Auch die Blütengröße XI), A. kotschyana (IX-XI), A. mooreana (IX-
Bei einigen dieser Vogelspinnen-Gattun- ber habe ich im Zusammenhang mit Brome- reicht von 1 cm bis mehr als 5 cm im XI).
gen und -Arten ist eine beständig hohe Luft- lien schon an anderer Stelle berichtet Durchmesser und ist oft traubig angeordnet, Kleinwüchsige, hübsche Orchidee, am
feuchtigkeit von über 60% bis zu 90% oder (WANDTKE , 2003), aber es gibt bei Orchi- das heißt mehrere Blüten sitzen an einem besten aufgebunden und temperiert bis
gar nahezu 100% rF, bei einer häufig noch deen noch einige Dinge zu beachten. Stängel. warm zu kultivieren. Für die Blütenentwick-
recht niedrigen Temperatur, aber eher hin- Die Wurzeln sollten nicht mit Substrat Ein Standard-Terrarium ist zur Haltung lung ist eine nächtliche Temperaturabsen-
derlich als fördernd. Für eine erfolgreiche um wickelt werden, da diese sehr viel Luft von Orchideen gänzlich ungeeignet. Erst in kung von bis zu 10°C nötig. Sie blüht häufig
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4. ARACHNE 9(6), 2004 ARACHNE 9(6), 2004
weiß und hat eher zierliche Blüten. scheiden, oder Riesen, die über einen Meter man es tunlichst vermeiden, seine Tillandsie
Phalaenopsis equestris, P. stuartiana, P. amboi- hoch werden können? öfter als zweimal wöchentlich zu übersprü-
nensis, P. amabilis, P. schilleriana und andere Zur Familie der Bromelien gehörend, hen. Wenn man sprüht, dann nur morgens
(Farbtafel Abb. 3). bilden auch Tillandsien nach einer Blüte und nur kurz sprühen, damit die Pflanze im
Etwas größere Gattung mit großen, zum Tochterpflanzen und wachsen so oft zu grö- Laufe des Tages wieder abtrocknen kann.
Teil recht bunten Blüten, die ganzjährig er- ßeren Beständen heran, was deren Aesthetik Mehr als eine monatliche Düngung in halber
scheinen können. Auch zum Aufbinden gut natürlich noch erhöht. Häufig brauchen sie Konzentration sollte auch nicht erfolgen.
geeignet und warm zu halten (nicht unter noch nicht einmal ein Substrat zum Wur-
16°C). Nächtliche Absenkung der Tempera- zeln, sondern bilden nur Haftwurzeln zum GEEIGNETE ARTEN
tur fördert auch hier die Blühwilligkeit. Festhalten aus. Wurzellose Pflanzen sollten
Und noch zwei der kleinen Gattungen: auch mit einem speziellen Kleber auf ihrem Tillandsia aeranthos, T. araujei, T. brachycaulos,
Rodrettia hawaii, -strawberry whip, Howea- Platz befestigt werden. Herkömmlicher Sili- T. butzii, T. caerulea, T. stricta, um nur einige »Doritaenopsis« (Phalaenopsis x Doritis Hybrid). Züchter:
GERD RÖLLKE. Foto: Kerstin Wandtke
ra mini primi. kon ist hierfür nicht geeignet. Dünner Draht zu nennen.
Ebenfalls geeignet zur Blockkultur. Tem- oder Angelsehne eignen sich auch, aber man Die Tillandsie mit dem Trivialnamen Begrünung von Avicularia-Terrarien und in
periert bis warm gehalten blühen diese sollte hier recht vorsichtig zu Werke gehen »Spanisches Moos« oder »Bart-Tillandsie« einem größeren Theraphosa-Terrarium findet
Kleinode fast das ganz Jahr hindurch. Wäh- um die Pflanze nicht zu verletzten. (Tillandsia usneoides) ist für unsere Terrarien vielleicht auch eine kleine Orchidee die ihr
rend der Blüte ist darauf zu achten, dass die nicht geeignet. Als Ersatz für diese sollte auf zusagenden Werte hinsichtlich Temperatur
Pflanzen nicht zu feucht gehalten werden. GRAUE TILLANDSIEN Rhipsalis teres ausgewichen werden, der vom und Luftfeuchtigkeit.
Temperiert bis warm = 16-28°C. Wuchs ähnlich ist.
Orchideen der Gattungen Phalaenopsis, Bei näherer Betrachtung dieser Tillandsien SUMMARY
Rodrettia und Howeara brauchen keine ausge- fällt zuerst einmal ihre Färbung auf, die von GRÜNE TILLANDSIEN
dehnte Winterruhe, hier reicht eine nächtli- grau über rötlich bis zu hellgrün reicht. Zu- Following her first article about plants in
che Temperatur-Absenkung aus. Bei der dem sind die häufig recht kurzen Blätter Wie Eingangs schon erwähnt, lassen sich die tarantula-tanks (WANDTKE, 2003), KERSTIN
Gattung Aerangis habe ich hinter den Arten »wollig« und an ihren Spitzen fast drehrund. grünen, etwas größeren Tillandsien, ähnlich WANDTKE now introduces tillandsia and
die Ruhezeiten angegeben. Dies alles ist eine Anpassung an klimatische wie andere Bromelien halten (Guzmanien orchids. Pros and cons of both genera are
Bedingungen. oder Vriesien). Hier bestehen keine Unter- pointed out. Detailed instructions and hints
TILLANDSIEN Die »Behaarung« besteht aus Schuppen- schiede. Temperiert und feucht, hell bis concerning the accurate care of these plants
fortsätzen und dient in erster Linie dem halbschattig und mäßig düngen. in tanks are given.
Auf den ersten Blick sind Tillandsien in der Schutz vor Austrocknung und daneben erst
Hal tung erfolgversprechender als Orchi- der Versorgung mit Wasser und Nährstof- GEEIGNETE ARTEN LITERATUR
deen, da sie trockenheitsliebender sind und fen.
kleiner bleiben. Doch auch bei Tillandsien Diese Tillandsien brauchen ein wech- Tillandsia cyanea, T. flabellata (Farbtafel Abb. RÖLLKE , F. (2004): Orchideen. Gräfe und
liegt der Haltungserfolg im Detail. selndes Milieu im Terrarium. Eine ständig 2), T. wagneriana und ähnliche. Unzer Verlag, München.
Tillandsien bilden ebenfalls eine be - hohe Luftfeuchtigkeit und Temperatur sa- S CHMIDT, H. (2003): Terrarienpflanzen.
stimmte Gruppe im Pflanzenreich und sind gen ihnen nicht zu. Vielmehr lieben auch sie FAZIT Ulmer Verlag, Stuttgart.
für den Laien recht schnell zu erkennen: Es viel frische Luft. Temperaturen um 18-22°C WANDTKE, K. (2003): Pflanzen im Vogel-
handelt sich um kleine, grau-grüne Roset- reichen den meisten schon aus. Dabei soll- Die Kultur von Orchideen und Tillandsien spinnen-Terrarium. DeArGe Mitteilungen
tenpflanzen, die häufig lose oder auf kitschi- ten sie aber den hellsten Standort im Terra- in unseren Terrarien ist mit Schwierigkeiten 8(5): 4-16.
gen Dekorgegenständen aufgeklebt, angebo- rium bekommen. Dabei ist folgendes Pro- und Problemen verbunden. Wenn man aber
ten werden. blem zu beachten. Der hellste Standort ist den Bedürfnissen der Spinnen und der Adresse der Autorin:
Wer weiß schon, dass es unter ihnen auch oft der wärmste. Hier hilft oft nur eine Pflanzen Rechnung trägt, ist eine erfolgrei- Kerstin Wandtke
auch grüne Vertreter gibt, die sich in der gute Durchlüftung des Behälters, damit die che Haltung durchaus möglich. So eignen Simmelweg 5
Haltung nicht von anderen Bromelien unter- Pflanzen nicht verbrennen. Zudem sollte sich »graue« Tillandsien zum Beispiel zur 44328 Dortmund
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5. ARACHNE 9(6), 2004 ARACHNE 9(6), 2004
Naturbeobachtung am Rande des Krieges
von John Osmani
Kürzlich bekam ich von einem Vogelspin- mer wieder für Verwirrung und Erstaunen
nen-Stammtischkollegen eine E-Mail, in der sorgen. Ich möchte deshalb die Gelegenheit
er mich um meine Meinung bezüglich eines ergreifen um diese interessanten Tiere ein-
Bildes bat, welches angeblich in der iraki- mal kurz vorzustellen.
schen Wüste von amerikanischen Soldaten Walzenspinnen bilden eine eigene Ord-
aufgenommen wurde. nung (Solifugae) innerhalb der Klasse
Als ich das Bild öffnete, war ich doch Arach nida. Einige Arten erreichen eine
recht erstaunt, denn es zeigt zwei ineinander stattliche Körperlänge von bis zu 7 cm. Auf-
verbissene Walzenspinnen von recht beacht- fallend ist der gegliederte Hinterleib und die
mächtigen Cheliceren, wel- Kopfstudie einer Solifugae sp. Solifugae sp., das Exemplar auf dem Bild wurde im Handel
Foto: Michaela Biese als Galeodes granti angeboten. Foto: Marcus Heller
che senkrecht zueinander be-
wegt werden. Die Walzen- Walzenspinnen gelten allerdings schon LITERATUR
spinnen sind mit ca. 900 Ar- seit der Antike als besonders gefährlich und
ten vertreten und bewohnen auch aus neurer Zeit gibt es immer wieder BELLMANN,H. (2001): Kosmos-Atlas: Spin-
in der Mehrzahl ausschließ- Schaudergeschichten über sie zu lesen. So nentiere Europas. Kosmos Verlag, Stutt-
lich aride Gebiete unserer sollen die Arbeiter beim Bau des ägypti- gart
Erde. Sie sind über weite Tei- schen Assuanstaudammes in einen Streik ge- K ALLAS , S. ET. AL . (1999): Kleintiere im
le Nord-, Mittel- und Süda- treten sein, weil sie sich derat vor den Wal- Terrarium. Landbuch Verlag, Hannover
merikas, Afrikas, Asiens und zenspinnen fürchteten, dass ihnen eine Fort- K LEINSTEUBER , E. (1989): Kleintiere im
auch Südeuropas verbreitet. setzung der Arbeit als unmöglich erschien Terrarium. Urania Verlag, Leipzig
In der Regal sind sie so lange nichts gegen sie unternommen O SMANI , J. (1998): Einige Informationen
nachtaktiv und ernähren sich wurde. über Walzenspinnen I. DeArGe Mitteilun-
räuberisch von nahezu allem In der Terraristik spielen Solifugen leider gen 3(9): 3-5
was sie überwältigen können. so gut wie keine Rolle. Sie gelten als nicht O SMANI , J. (1998): Einige Informationen
Dazu gehören neben Insek- gut haltbar, was ich aus eigenen Erfahrun- über Walzenspinnen II. DeArGe Mittei-
ten und Spinnen auch Wir- gen bestätigen kann. Wenn sie zum Kauf lungen 3(10): 3-4
Dieses Bild, zweier ineinander verbissener Solifugae, kursierte über Wochen im
Internet. beltiere wie z.B. kleinere Ei- an geboten werden, sind sie in der Regel SCHMIDT, G. (1992): Skorpione und andere
dechsen. Aufgrund ihrer auch recht teuer. Meist sind die auf Börsen Spinnentiere. Landbuch Verlag, Hannover
licher Größe. Angeblich soll dieses Bild leichten Reizbarkeit erscheinen sie als sehr selten angebotenen Tiere derart geschwächt
schon für reichlich Verwirrung gesorgt ha- angriffslustig und gefährlich. Sie neigen dazu und lethargisch, dass sie schon innerhalb Adresse des Autor :
ben, denn vielen war völlig unklar um was bei Gefahr mit ihren Cheliceren zischende kurzer Zeit versterben. Einige wenige Be- John Osmani
für Tiere es sich eigentlich handeln könnte. Laute von sich zugeben und beißen auch richte über die erfolgreiche Haltung kann Dürerstr. 1
So soll auch schon die Meinung vertreten ohne weiters zu wenn man sie ergreift. Al- man im Internet finden. 50226 Frechen
worden sein, es handele sich um seltene Vo- lerdings wird ihre Gefährlichkeit in der Re-
gelspinnen, was natürlich völliger Quatsch gel weit überschätzt. Zwar sind ihre gewalti- Zusammengefasste Informationen zu Soli-
ist. gen Cheliceren in der Lage die menschliche fugen:
Sofort fielen mir eigene Begegnungen Haut zu durchdringen, da sie aber keine Solifugae in Europa:
mit diesen bizzaren Wesen ein, über die lei- Giftdrüsen besitzen, kann es höchstens zu http://theo.blick.bei.t-online.de/
der nicht sehr viel bekannt ist und die im- Sekundärinfektionen kommen. Solifugae.pdf
8 9
6. ARACHNE 9(6), 2004 ARACHNE 9(6), 2004
Skorpione – eine kurze Übersicht KRAEPELIN 1894, KRAEPELIN 1899, POCOCK minder breite, häufig schaufelförmige Pedi-
1890) palpen haben, die der Chactoidea liegen un-
Teil II: Systematik und Bestimmungsschlüssel Heute sind innerhalb der Ordnung Scor- gefähr dazwischen sind aber nie so schmal,
von Boris Striffler piones mehr als 1300 Arten in ~20 Familien wie die der Buthoidea.
beschrieben. Schätzungen gehen jedoch da- Anhand der Form der Scherenhände
von aus, dass es mindestens 3000-4000 Ar- kann man auch grob abschätzen, ob ein
ZUSAMMENFASSUNG with 4 parvorders and 7 superfamilies was ten gibt (pers. Mitt. W. R. L OURENÇO, L. Skorpion möglicherweise für den Menschen
proposed by S OLEGLAD & F ET , but is still PRENDINI). Allgemein sind drei Überfamili- gefährlich ist, denn die giftigsten Skorpione
Der zweite Teil der dreiteiligen Übersicht under strong discussion. Therefore the older en bekannt: die Buthoidea, Scorpionoidea der Welt gehören alle der Familie Buthidae
über die Skorpione behandelt die Systematik classification is depicted over here. und Chactoidea (SISSOM 1990). Diese sind an. Einzige Ausnahme bildet die Gattung
und Verbreitung. Klassischerweise werden Scorpions are nearly worldwide distribu- meist schon auf den ersten Blick zu unter- Hemiscorpius, die zusammen mit Habibiella in
die Skorpione in drei Überfamilien unter- ted and are among the oldest terrestrial ani- scheiden, da Vertreter der Buthoidea meist einer eigenen Familie steht und deren Stich
teilt: Buthoidea, Chactoidea and Scorpio- mals, with land living fossils dated back to schmale pinzettenförmige Pedipalpen (Sche- z.B. zu schweren Vergiftungen und zum Ab-
noidea. Ende 2003 wurde eine neue Klassifi- 400-350 million years ago. renhände), die der Scorpionoidea mehr oder sterben der Haut, sog. Hautnekrosen, führen
zierung mit 4 Unterordnungen und 7 Über- Finally a map illustrates the distribution kann (RADMANESH 1998).
familien von SOLEGLAD & FET vorgeschla- of scorpions worldwide and a key to com- Nicht unerwähnt bleiben soll hier, dass
gen. Da diese aber zurzeit heiß diskutiert mon scorpion genera in pet trade is presen- seit Ende 2003 beinahe die gesamte höhere
wird, wird hier die alte Klassifizierung vor- ted. Systematik verändert wurde (SOLEGLAD &
gestellt. FET 2003). Da diese Arbeit und die Ergeb-
Heute sind Skorpione nahezu weltweit SYSTEMATIK nisse gerade heiß diskutiert werden und es
verbreitet und gehören zu den ältesten terre- absehbar ist, dass sich einiges wieder ändern
strischen Tieren, deren erste landlebenden Es gab schon früh Versuche die Skorpione wird, wird hier die ältere, größtenteils aner-
Vorfahren vor 400-350 Mio. Jahren auftra- in Gruppen zu gliedern. Dies spiegelt sich kannte Gliederung, aus dem »Catalog of
ten. z.B. in den beiden bekanntesten Scorpions« verwandt.
Abschließend wird ein Überfamilien Bu thoidea Traditionell werden 3
Bestimmungsschlüssel und Scorpionoidea Überfamilien anerkannt
für die im Zoohan- wider. Diese beiden (Buthoidea, Scorpionoidea
del häu fig sten Grup pen sind und Chactoidea), diese tei-
Skorpione gege- meist schon auf len sich in 17 Familien auf
ben. den ersten Blick zu (FET et al. 2000).
unterscheiden und so Dagegen schlagen SO-
ABSTRACT wundert es nicht, dass LEGLAD & FET nicht mehr
die ersten be kannten nur 3 Überfamilien son-
The second part of a tripartite Skorpione entweder dern 4 Unterordnungen
overview on scorpions deals with als Scor pio L INNÉ (Pseudochactida, Buthida,
scorpion systematics, dis tribution 1754 oder Buthus Chaerilida, Iurida) vor, die
Iomachus politus
and determination of common scor- Foto: Boris Striffler
L EACH 1815 be - sich in 6 Überfamilien auf-
pion genera in pet trade. zeichnet wur den. teilen (Pseudochactoidea,
Classically the order Zum Ende des 19. Buthoidea, Chaeriloidea,
scorpiones is divided into Jahrhunderts ka men natürlich im mer Iuroidea, Scorpionoidea,
three superfamilies: Buthoidea, mehr Skorpionsgattungen hinzu, so dass es Chactoidea) und nochmals
Chactoidea and Scorpionoidea. By the end zu dieser Zeit auch die ersten Übersichten in 14 Familien (siehe ne -
of 2003 a new classification of the order gab (z.B. P ETERS 1861, K RAEPELIN 1891, Verwandtschaftsbeziehungen innerhalb der Skorpione nach SOLEGLAD & FET 2003 benstehende Abbildung).
10 11
7. ARACHNE 9(6), 2004 ARACHNE 9(6), 2004
VORKOMMEN also quasi Zeitgenossen der Dinosaurier den Buthidae abzufragen. Auf eine genauere sind auch für den Fachmann nicht einfach
Tyrannosaurus und Triceratops. Diese Fossilien Bestimmung der Euscorpius-Arten und be- zu bestimmen, denn es gibt 8 verschiedene
Skorpione sind fast weltweit verbreitet, mit sind noch nicht eindeutig einer der heutigen sonders der chilenischen Bothriuridae wurde Bothriurus-Arten, mehr als 15 Brachistosternus
Ausnahme der Antarktis und den gemäßig- Familien zuzuordnen, zeigen aber schon hier verzichtet, da sich deren Taxonomie und mehrere weitere Gattungen mit jeweils
ten nördlichen Breiten. Sie bevölkern neben Merkmale der heutigen Liochelidae und zurzeit stark verändert. Gerade die hin und mehreren Arten (pers. Mitt. C. MATTONI).
Wüsten, Savannen und Regenwäldern, ge- Scorpionidae auf (CARVALHO & LOURENÇO wieder angebotenen Skorpione aus Chile
mäßigten Wäldern und Steppen auch Fels- 2001).
spalten, Sand und sogar Gezeitenzonen Die fossilen Skorpione aus dem sicher VEREINFACHTER BESTIMMUNGSSCHLÜSSEL FÜR HÄUFIG GEHALTENE SKORPIONGATTUN-
(Farbtafel Abb. 6-8). bekanntesten Bernstein, dem baltischen GEN
Allgemein gibt es zwei verschiedene Ty- Bernstein (ca. 45 Mio. Jahre alt), können da-
p en von Lebensweisen bei Skorpionen. gegen schon klar den Buthidae zugerechnet 1. Sternum dreieckig (Teil I, S. 25, Abb. 5); keine Trichobothrien auf
Zum einen die sog. Generalisten, die in sehr werden (L OURENÇO & W EITSCHAFT 2000; der Unterseite der Patella der Scherenhand; 4-5 Trichobothrien
vielen verschiedenen Ökoregionen und über LOURENÇO & WEITSCHAFT 2001). Daneben auf der internen Seite dem Femur der Scherenhand; schmale
sehr weite Areale verbreitet sind und zum gibt es aber auch weiteren Bernstein mit pinzettenförmige Scheren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Überfamilie Buthoidea 31
anderen die Spezialisten, die an einen be - Skorpioneinschlüssen, den dominikanischen 2. Sternum nicht dreieckig (sondern fünfeckig oder schlitzförmig);
stimmten Lebensraum angepasst sind, z.B. (Tertiär, 35 Mio. Jahre), mexikanischen (Ter- mindestens 1 Trichobothrium auf der Unterseite der Patella der
Sanddünenbewohner oder Bewohner von tiär, 25-35 Mio. Jahre) und libanesischen Scherenhand; 1 Trichobothrium auf der internen Seite dem
Felsspaltensystemen. Bernstein (125-100 Mio. Jahre) (LOURENÇO Femur der Scherenhand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3
Die Ordnung Scorpiones ist schon seit 2003).
dem mittleren Silur bekannt (vor ~450 Mio. 3. Sternum schlitzförmig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Bothriuridae
Jahre) (THORELL & LINDSTRÖM 1884), also ARTBESTIMMUNG 4. Sternum fünfeckig (Teil I, S . 25, Abb. 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .5
lange bevor die Dinosaurier die Erde bevöl-
kerten (vor ~220-65 Mio. Jahre) oder die Die im dominikanischen Bernstein einge- 5. Retrolateraler Sporn am Basitarsus fehlend (=> nur ein
ersten Wirbeltiere an Land gingen (vor ~350 schlossenen Skorpione lassen sich aufgrund Sporn) (Abb. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Überfamilie Scorpionoidea 13
Mio. Jahre). Allerdings handelte es sich bei des noch jungen Alters dieses Bernsteins 6. Retrolateraler Sporn am Basitarsus vorhanden (=> zwei Sporne) (Abb. 2) . . . . . . . . . . . .7
den ersten Skorpionen noch um Bewohner (nur 350 Mio. Jahren) relativ gut den heuti-
von küstennahen, marinen Flachwassern gen Gattungen Tityus und Microtityus zuord- 7. Beweglicher Finger der Chelizere auf der internen Seite mit
und Brackwassern (D UNLOP & W EBSTER nen (S ANTIAGO -B LAY et al. 1990). Dies ist einem deutlichen dunklen Zahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Iuridae (z.B. Hadrurus, Iurus)
1999). Über die Jahrmillionen kam es dann u.a. aufgrund der auch im Bernstein gut 8. Beweglicher Finger der Chelizere auf der internen Seite ohne
zu Veränderungen in Lebensweise und Ana- erkennbaren Trichobothrien möglich. eine deutlichen dunklen Zahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Chactidae und Euscorpiidae
tomie, so dass sich aus den Wasserbewoh- Die meisten aktuellen Bestimmungs-
nern über amphibische Formen die heutigen schlüssel basieren auch zumindest zu einem 9. Beweglicher Finger der Chelizere mit einem subdistalen Zahn;
rein terrestrischen Skorpione entwickelten. großen Teil auf der Analyse der Trichobo- Patella der Scherenhand mit nur einem Trichobothrium
In ca. 400-350 Mio. Jahre alten Gesteinen thrienmuster. Besonders bei kleineren Skor- auf der Unterseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Iurinae (z.B. Iurus)
finden sich dann die ersten wirklich land - pionen und bei wenig Erfahrung mit der
bewohnenden Skorpione. Sehr bekannte Bestimmung von Skorpionen bedeutet das
Skorpionfossilien stammen übrigens aus aber einige Probleme. Aus diesem Grunde
Deutschland, aus der Eifel, Waeringoscorpio habe ich im Folgenden versucht, aus ver-
hefteri, und dem Hunsrück, Palaeoscor pius schiedenen Bestimmungsschlüsseln relativ
devonicus (KUTSCHER 1971, STØRMER 1970). einfache Merkmale zusammenzustellen, die
Die Santana-Formation, eine bekannte man auch ohne große Erfahrung erkennen
brasilianische Lagerstätte der Kreidezeit, be- kann, um z.B. nicht die α-und β-Konfigura- Abb. 1: Tarsus von Pandinus (Scorpionoidae), nur ein Sporn Abb. 2: Tarsus von Hadrurus, insgesamt zwei Sporne vor-
herbergte auch sehr gute Skorpionfossilien, tion der Trichobothrien auf dem Femur bei vorhanden. Foto: Boris Striffler handen. Foto: Boris Striffler
12 13
8. ARACHNE 9(6), 2004 ARACHNE 9(6), 2004
10. Beweglicher Finger der Chelizere mit zwei subdistalen Zähnen;
Patella der Scherenhand mit mehr als einem Trichobothrium
auf der Unterseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Caraboctinae 11
11. Patella der Scherenhand mit 4 Trichobothrien auf der Unterseite . . . . . . . . . . .Hadruroides
12. Patella der Scherenhand mit mehr als 4 Trichobothrien (13 bis 27)
auf der Unterseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Hadrurus
SCORPIONOIDEA
Abb. 5: Patelle von Heterometrus mit nur 3 Trichobothrien. Abb. 6: Patella von Pandinus mit mehr als 12 Trichobothrien.
Foto: Boris Striffler Foto: Boris Striffler
13. Subaculear Stachel vorhanden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Diplocentridae (z.B. Nebo)
14. Subaculear Stachel fehlend; häufig breite schaufelartige Scheren . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15 26. Stridulationsorgan zwischen den Coxen der Scherenhand
und Bein I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .29
15. Ein ventraler Kiel auf Metasoma I-V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .17
16. Zwei ventrale Kiele auf Metasoma I-V . . . . . . . . . . . . .Hemiscorpiidae (z.B. Hemiscorpius) 27. Ventrale Seite der Patella mit nur 3 Trichobothrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Scorpio
28. Ventrale Seite der Patella mehr als 3 Trichobothrien;
17. Distales Ende des Tarsus rund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Scorpionidae 25 Medianaugen meist weit zurück liegend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Opistophthalmus
18. Distales Ende des Tarsus eckig . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Liochelidae (früher Ischnuridae) 19
29. Ventrale Seite der Patella mit nur 3 Trichobothrien (Abb. 5) . . . . . . . . . . . . . . .Heterometrus
19. Ventrale Seite der Patella mit mehr als 4 Trichobothrien und 30. Ventrale Seite der Patella mit mehr als 12 Trichobothrien (Abb. 6) . . . . . . . . . . . .Pandinus
Chela external mit mehr als 4 Trichobothrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Hadogenes
20. Ventrale Seite der Patella mit 4 Trichobothrien und Chela BUTHOIDEA
external mit 4 Trichobothrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21
31. Subaculear Stachel vorhanden (nur amerikanische
21. Unterseite des Tarsus mit zwei seitlichen Reihen Haare und Arten hier berücksichtigt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .33
einer medianen Reihe Zähnchen (Abb. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Iomachus 32. Subaculear Stachel fehlend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .35
22. Unterseite des Tarsus nur mit zwei seitlichen Reihen Haare
oder Borsten, die mediane Reihe Zähnchen fehlt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .23 33. Schneide der Schere mit 7-9 Reihen von Körnchen und vielen
zusätzlichen seitlichen Körnchen besetzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Centruroides
23. Unterseite des Tarsus nur mit zwei seitlichen 34. Schneide der Schere mit 12-17 Reihen von Körnchen und
Reihen Borsten (Abb. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Opisthacanthus nicht mit zusätzlichen seitlichen Körnchen besetzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Tityus
24. Unterseite des Tarsus nur mit zwei seitlichen Reihen Haare . . . . . . . . . . . . . . . . . .Liocheles
35. Carapax ohne deutliche Kiele, meist fein granu-
25. Kein Stridulationsorgan zwischen den Coxen der Scherenhand und Bein I . . . . . . . . . .27 liert (Teil I, S. 27, Abb. 13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Parabuthus
36. Carapax deutlich mit deutlichen Kielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .37
37. Mesosoma Segmente I und II mit fünf Kielen, meist Meta-
soma Segment V schwarz (Teil I, S. 25, Abb. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Leiurus
38. Mesosoma Segmente I und II mit drei oder weniger Kielen
(Teil I, S. 25, Abb. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .39
39. Beweglicher Finger der Schere mit 3 Körnchen unter dem
Abb. 3: Tarsus von Iomachus politus, mit medianer Zähn- Abb. 4: Tarsus von Opisthacanthus punctulatus.
chenreihe. Foto: Boris Striffler Foto: Boris Striffler terminalen Körnchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .41
14 15
9. ARACHNE 9(6), 2004 ARACHNE 9(6), 2004
40. Beweglicher Finger der Schere mit 4 Körnchen unter dem animals, which L INNÉ arranged under festations of the Hemiscorpius lepturus
terminalen Körnchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .43 Insecta; with the distribution of the sting: a clinical study. International Journal
genera composing three of these classes of Dermatology 37: 500-507.
41. Typische Leier auf dem Carapax, aus posteriorlateralen und into orders, etc. and descriptions of SANTIAGO-BAY, J. A., W. SCHAWALLER &
lateralen Kielen bestehend (Teil I, S. 25, Abb. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Buthus several new genera and species. Transac- G. O. POINAR JR. (1990): A new speci-
42. Leier auf dem Carapax fehlt, meist stark verdicktes tions of the Linnean Society of London, Zoo- men of Microtityus ambarensis (Scor-
Metasoma (Teil I, Abb. S. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Androctonus logy 11(2): 306-400. piones, Buthidae), fossil from Hispanio-
L INNÉ , C. VON (1754): Museum S.R.M. la: evidence of taxonomic status and
43. Leier auf dem Carapax; ventrolaterale Kiele des Meta- Adolphi Friderici regis svecorum, etc. in possible biogeographic implications.
soma V unterschiedlich stark gekörnt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Mesobuthus quo animalia rariora imprimis, et exotica: Journal of Arachnology 18(1): 115-117.
44. Keine Leier; ventrolaterale Kiele des Metasoma V nahezu gleich gekörnt . . . . .Hottentotta Quadrupedia, Aves, Amphibia, Pisces, SISSOM, W. D. (1990): Systematics, biogeo-
Insecta, Vermes describuntur et determi- graphy and paleontology. Pages 64-160
nantur, latine et svetice cum iconibus in G. A. POLIS, ed. Biology of Scorpi-
(Scorpiones, p. 84). Typographia Regia, ons. Stanford University Press, Stanford,
Im abschließenden dritten Teil dieser klei- DUNLOP, J. A. & M. WEBSTER (1999): Fos- Holmiae (Stockholm). California.
nen Serie über Skorpione wird anhand von sil evidence, terrestrialization and arach- L OURENÇO, W. R. (2003): The first fossil S OLEGLAD, M. E. & V. Y. F ET. (2003):
häufig im Terrarium gehaltener Arten auf nid phylogeny. Journal of Arachnology 27: from the Cretaceous amber of France. High-level systematics and phylogeny of
die Haltungsansprüche von Skorpionen ein- 86-93. New implications for the phylogeny of the extant scorpions (Scorpiones: Or -
gegangen (STRIFFLER in Vorb.). FET, V. Y., W. D. SISSOM, G. LOWE & M. Chactoidea. Comptes Rendus Palevol 2: 213- thosterni). Euscorpius – Occasional Publi-
E. B RAUNWALDER (2000): Catalog of 219. cations in Scorpiology. 11: 1-175.
DANKSAGUNG the Scorpions of the World (1758-1998). L OURENÇO , W. R. & W. W EITSCHAFT STRIFFLER, B. F. (2004): Skorpione – eine
The New York Entomological Society, New (2000): New fossil scorpions from Baltic kurze Übersicht. Teil I: Anatomie und
Mein Dank gilt der Firma b.t.b.e., Schnür- York. amber - implications for Cenozoic biodi- Biologie. ARACHNE 9(5): 4-11.
pflingen, hier besonders MARTIN THIERER- KRAEPELIN, K. (1891): Revision der Skor- versity. Mitt. Geol.-Paläont.Inst. Univ. Ham- S TRIFFLER , B. F. (in Vorb.): Skorpione –
LUTZ für die Bereitstellung von Skorpionen. pione. I. Die Familie der Androctonidae. burg Heft 84: 247-260. eine kurze Übersicht. Teil III: Haltung
Ein besonderer Dank geht an S IEGFRIED Jahrbuch der Hamburgischen wissenschaftlichen L OURENÇO , W. R. & W. W EITSCHAFT im Terrarium. ARACHNE 10(1).
HUBER, Oberuhldingen, der ebenfalls Skor- Anstalten 8: 1-144. (2001): Description of another fossil STØRMER, L. (1970): Arthropods from the
pione, wie auch Literatur zur Verfügung KRAEPELIN, K. (1894): Revision der Scor- scorpion from Baltic amber, with consi- Lower Devonian (Lower Emsian) of
gestellt hat. Nicht zuletzt möchte ich mei- pione. II. Scorpionidae und Bothriuri- derations on the evolutionary levels of Alken-an-der-Mosel, Germany. Part 1.
nem Kollegen CAMILO MATTONI, Universidad dae. Beiheft zum Jahrbuch der Hamburgischen Cenozoic Buthoidea. Mitt. Geol.-Palä - Arachnida. Senckenbergiana Lethaea 51(4):
Nacional de Córdoba, Argentinien für die um- wissenschaftlichen Anstalten 11: 1-248. ont.Inst. Univ. Hamburg 85: 277-283. 335-369.
fangreichen Informationen zur Familie Bo- K RAEPELIN , K. (1899): Scorpiones und PETERS , W. (1861): Ueber eine neue Eint- T HORELL , T. T. T. & G. L INDSTRÖM
thriuridae sowie den argentinischen und chi- Pedipalpi. Pages 1-265 in F. DAHL, ed. heilung der Skorpione und ueber die von (1884): Discovery of a Silurian fossil
lenischen Skorpionen danken. Das Tierreich. R. Friedländer und Sohn ihm in Mossambique gesammelten scor pion. The Glasgow Herald Dec. 19,
Verlag, Berlin. Arten von Skorpionen. Monatsberichte der 1884.
LITERATUR K UTSCHER , F. (1971): Beiträge zur Sedi- Berliner Akademie der Wissenschaften 1861:
mentation und Fossilführung des Huns- 507-516. Adresse des Autors:
CARVALHO, M. D. G. P. D. & W. R. LOU- rückschiefers. 32. Palaeoscorpius devoni- P OCOCK , R. I. (1890): A revision of the Dipl. Biol. Boris F. Striffler
RENÇO (2001): A new family of fossil cus, ein devonischer Skorpion. Jahrbücher genera of Scorpions of the family But- Zoologisches Forschungsinstitut und
scorpions from the Early Cretaceous of des nassauischen Vereines für Naturkunde hidae with descriptions of some South- Museum A. Koenig
Brazil. Comptes rendus hebdomadaires des 101: 82-88. African species. Proceedings of the Zoological Adenauerallee 160
séances de l'Académie des Sciences, Sciences de LEACH, W. E. (1815): A tabular view of the Society of London 10: 114-141. 53113 Bonn
la Terre et des plantes 332: 711-716. external characters of four classes of RADMANESH, M. (1998): Cutaneous mani- striffler.zfmk@uni-bonn.de
16 17
10. ARACHNE 9(6), 2004 ARACHNE 9(6), 2004
Bemerkungen und Beobachtungen zur Haltung und tal lisch schimmernden Carapax aufweisen einer tropischen Region der Erde. Im Jah-
Zucht von Holothele incei (F.O. P.-CAMBRIDGE, 1898) (Farbtafel Abb. 20), dessen Farbe sich dann
später in Richtung messingfarben ver-
resmittel liegen die Durchschnittstemperatu-
ren – gemittelt für Trinidad und die Küsten-
von Marcus Heller & Marion Heller-Dohmen schiebt. region Venezuelas – bei etwa 24°C, wobei
der heißeste Monat der September (ca. 24,5
VERBREITUNG °C) und der kühlste der Januar (ca. 22,5°C)
EINLEITUNG HABITUS ist. Die Trockenzeit fällt in dieser Region
H. incei kommt sowohl im nördlichen Teil normalerweise auf die Monate Januar bis
Bei Holothele incei handelt es sich um eine Bei Holothele incei handelt es sich um eine für Südamerikas – in Venezuela, in der Gegend März.
Vogelspinnenart, die man zwar schon lange Vogelspinnen relativ klein bleibende Spezies. um Caracas – als auch auf Trinidad, den
kennt (VERDEZ und CLÉTON, 2001, WEBB, Das von C AMBRIDGE (1898) vermessene Westindischen Inseln und Tobago vor VERHALTEN
2000), die aber dennoch im Handel schwie- Weibchen war 27,5 mm lang (Carapax 10 x (SCHMIDT, 2003; WEBB, 2000; VERDEZ und
rig zu erhalten war. 7,5 mm), das Männchen 22,5 mm (Carapax CLÉTON, 2001; RUDLOFF, 1997). Im Gegen- In ihrem natürlichen Habitat lebt H. incei in
F.O. P.-C AMBRIDGE 1 beschrieb die Art 11 x 9 mm). Doch auch Weibchen mit einer satz zu HOBBS (1990), der H. incei auf Tri- bis zu 30 Zentimeter langen Wohnröhren,
schon 1898 als Hapalopus incei. Erst knapp Körperlänge von 21 mm können – als ein- nidad sammelte, wurde MÜLLER (1991) auf die jeweils zwei Ausgänge aufweisen (MÜL-
ein Jahrhundert nach der Erstbeschreibung deutiges Zeichen ihrer Geschlechtsreife – Trinidad nicht fündig, er fand die Spezies LER, 1991).
wurde die Art in die Gattung Holothele bereits einen Kokon haben (H UBER , pers. jedoch entlang der Ostküste Tobagos. Im Terrarium gräbt und spinnt H. incei
(K ARSCH 2 , 1879) transferiert (RUDLOFF , Mittlg.). Im Allgemeinen werden Individuen WEINMANN (pers. Mittlg.) fand H. incei stark. Oft ist bereits in kurzer Zeit das ge-
1997) und wird seither als Holothele incei be- dieser Spezies nicht viel größer als 30 mm. im Norden Trinidads an einem steilen Hang samte Terrarium von einem dichten Ge -
zeichnet. Typisch ist die goldbraune bzw. messing- am Straßenrand mitten im Wald, wo die Art spinst mit einer Vielzahl von Gängen und
Neuerdings wird diese ansprechende Art farbene Grundfärbung des Prosoma 3 und Wohnröhren in der feuchten Erde angelegt Ausgängen durchzogen. Tagsüber sitzen die
immer häufiger angeboten, so dass sie mitt- des Opisthosoma4 adulter Weibchen sowie hatte. Die Röhren waren komplett mit Tiere in ihrem dichten Gespinst versteckt.
lerweile in vielen Terrarien zu finden ist. Da- juveniler Tiere. Das wird zusätzlich von oliv- Spinnseide ausgesponnen und setzten sich Erst in der Nacht kommen sie dann an einen
bei spielt sicherlich auch die relativ einfache farbenen bis dunkelbraunen Querbändern außerhalb des Erdreichs noch einige Zenti- der Ausgänge und lauern dort auf Beute.
Zucht und das bemerkenswerte Verhalten überzogen (Farbtafel Abb. 14). Adulte meter in der Vegetation fort, um dort trich- Aufgrund der geringen Größe können
der Tiere bei Gruppenhaltung von Mutter- Männchen weisen im Vergleich zum Weib- terförmig auszulaufen. Dabei hatten die ein- die Tiere in teilweise sehr kleinen Terrarien
tier und Jungtieren eine Rolle. chen eine deutlich unscheinbarere Färbung zelnen Gespinste keinen direkten Kontakt erfolgreich gehalten und gezüchtet werden.
auf, die ins Gräuliche tendiert (Farbtafel zueinander. So lebte eines unserer Weibchen in einer
Abb. 15) während juvenile Tiere etwa ab der Auf Tobago konnte WEINMANN die Tie- Heimchendose, wo es auch verpaart wurde,
zweiten Häutung einen dunkelgrünen, me- re unter ähnlichen Bedingungen im Bereich seinen Kokon baute und anschließend die
einer Ortschaft im Inselinneren finden. Jungen schlüpften.
Allerdings traf er die Tiere an zwei weiteren H. incei wird von W EBB (1989) bzw.
Fundorten in Küstennähe unter anderen Le- WEBB (2000) als aggressiv beschrieben. Dies
bensbedingungen an. Der Boden war im kann jedoch nicht bestätigt werden. Wird H.
dortigen flachen Gelände hart und trocken; incei gestört, flüchten die Tiere in ihr ausge-
die umgebende Vegetation bestand aus dehntes Gespinst. Dabei begeben sie sich
trocke nem Gras. Alle röhrenförmigen weder in Abwehrstellung, noch greifen sie
Wohngespinste waren unter Steinen angelegt an.
und reichten nicht ins Erdreich hinein. Teil- Da sie zudem keine Brennhaare aufwei-
weise fanden sich bis zu drei Tiere unter sen (MARSHALL, 2001; SCHMIDT, 2003), kön-
dem selben Stein, die allerdings jeweils in nen sie sich nicht wie die meisten neuweltli-
einem eigenen Gespinst saßen. chen Spezies der Theraphosidae durch
Holothele incei, adultes Weibchen Holothele incei, adultes Männchen
Foto: Marcus Heller Foto: Marcus Heller Klimatisch gesehen kommt H. incei aus Bombardieren verteidigen.
18 19
11. ARACHNE 9(6), 2004 ARACHNE 9(6), 2004
PAARUNG subadulte Männchen ist von seinem Verhal- nach der Paarung einen etwa haselnuss -
ten her nicht von einem adulten, paarungs- großen Kokon, den das Weibchen ständig
Sehr friedlich verläuft auch die Paarung. Das unwilligen Weibchen zu unterscheiden. mit sich trug. Aus diesem mit 61 Eiern ge-
Männchen fängt bei Berührung des weibli- HOBBS (1990) berichtet, dass alle Männ- füllten Kokon schlüpften bei 27 °C Tages-
chen Gespinstes sofort an, mit dem dritten chen nach der Paarung aufgefressen werden. und 22 °C Nachttemperatur genau 28 Tage
1 mm
Beinpaar zu zucken. Das paarungsbereite Dies widerspricht jedoch eigenen Terrarien- später 61 Larven. In den übrigen Fällen dau-
Weibchen antwortet mit einem hochfre- beobachtungen. Nur hin und wieder wird erte es im Schnitt vier bis sechs Wochen bis
quenten Trommeln mit Hilfe des ersten das Männchen vom Weibchen gefressen. So zum Kokonbau.
Beinpaares und der Pedipalpen. Oft wird fraß bislang nur eines unserer Weibchen – Nach ihrem Schlupf aus dem Kokon be-
später auch das zweite Beinpaar zum Trom- trotz regelmäßigen Futterangebots – das wegen sich die Larven bereits eigenständig
meln hinzugenommen. Männchen auf, mit dem es über einen Mo- im Gespinst des Muttertieres (Farbtafel
Mit seinen zwei Tibiaapophysen immo- Holothele incei, Bulbus des adulten Männchens nat lang in einem Terrarium zusammen ge- Abb. 17 & 18). Die meisten bleiben aller-
Foto: Marcus Heller
bilisiert das Männchen die Cheliceren des lebt hatte. Zu vermuten ist, dass insbesonde- dings noch in unmittelbarer Nähe des leeren
Weibchens. Das Einführen der Emboli in ria. Die Receptacula seminis ist zweigeteilt re Männchen im fortgeschrittenen Alter Kokons.
die Receptacula seminis5 des Weibchens ist (RUDLOFF, 1997). häufiger vom Weibchen gefressen werden S TRIFFLER und W EINMANN (2003) be -
aufgrund der Größe der Tiere und dem sehr Nach der Paarung trennen sich die Ge- als ihre jüngeren Artgenossen. Dies könnte richten von Kokons, die 120 bis 130 Eier
fein auslaufenden Embolus mit dem bloßen schlechtspartner, wobei das Männchen nicht auf einen allmählichen Verlust der Fähigkeit, enthalten. Auch HOBBS (1990) berichtet von
Auge nur schlecht zu beobachten. flieht, sondern weiterbalzt. Das nicht (mehr) artspezifische Signale auszusenden, zurück- 40 bis 120 Eiern. Eine solche hohe Anzahl
Gemäß RUDLOFF (1997) ähnelt der Bul- paarungsbereite Weibchen antwortet dem zuführen sein. von Eiern wurde bei unseren Weibchen bis-
bus von Holothele denen der Gattung Avicula- Männchen durch zuckende Bewegungen des lang nicht beobachtet, jedoch konnte
dritten Beinpaares, droht ihm aber gegebe- KOKONBAU UND SCHLUPF DER LARVEN SCHINDLER zuletzt 112 Nymphen in einem
nenfalls auch durch Aufstellen und Schlagen Kokon zählen (pers. Mittlg.). MÜLLER (1991)
mit dem ersten Beinpaar. Das Männchen ist VERDEZ und CLÉTON (2001) berichten, dass fand auf Tobago vier H. incei-Weibchen, die
hierdurch meist nicht sonderlich zu beein- H. incei-Weibchen ihre Kokons innerhalb Kokons mit sich trugen. Diese enthielten
drucken und setzt seine Balz fort. Hierauf von 15 Tagen bis einen Monat nach der Paa- maximal 22 Eier. Insbesondere junge Weib-
wendet das Weibchen dem balzenden Männ- rung bauen. In Übereinstimmung hierzu chen scheinen aber deutlich kleinere Kokons
chen ihr Opisthosoma zu, um den Eingang baute eines unserer Weibchen genau 15 Tage als ältere Weibchen zu bauen. So berichten
zu ihrem Gespinst zuzuweben, so dass sie
von dem werbenden Männchen nicht weiter
verfolgt und gestört werden kann.
Werden zwei Tiere männlichen Ge -
schlechts zusammengesetzt, so wird das
subadulte von dem adulten Männchen ange-
balzt. Das subadulte Männchen verlässt da-
bei meist sein Gespinst in Richtung des bal-
zenden Männchens und reagiert anschlie -
ßend wie ein nicht paarungsbereites Weib-
chen. Dabei antwortete es wie schon be -
schrieben mit zuckenden Bewegungen des
dritten Beinpaares. Auch das demonstrative
Zuspinnen des Netzeingangs wird beobach-
Bei der Paarung stämmt das Männchen das Weibchen hoch tet. Insgesamt läuft die Begegnung der bei-
und führt die Emboli der Bulben in die Receptacula seminis Holothele incei Weibchen mit Kokon Kokon des Weibchens vom nebenstehenden Bild
des Weibchens ein. Foto: Martin Huber den Männchen äußerst friedlich ab und das Foto: Martin Huber Foto: Martin Huber
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12. ARACHNE 9(6), 2004 ARACHNE 9(6), 2004
STRIFFLER und WEINMANN (2003) ebenfalls unterscheidet F OELIX (1992) bzw. F OELIX
von 20 mm großen Weibchen, deren Ko - (1996) vier verschiedene Formen der Nah-
kons etwa 85 Eier enthielten. rungsfürsorge.
In der Literatur wird berichtet, dass die Bei einigen Spinnen »opfert« sich das
Weibchen oftmals einen zweiten Kokon Muttertier als Futtertier ihrem Nachwuchs
bauen, der allerdings wesentlich weniger Ei- (z.B. bei Amaurobius terrestris). Eine weitere
er enthält (VERDEZ und CLÉTON, 2001). Bei Form der Nahrungsfürsorge ist das passive
den eigenen Weibchen konnte dies ebenfalls Überlassen der von der Mutter gemachten
in einem Fall beobachtet werden. Genau 6 Beute. Bei der dritten Form füttert das Mut-
Wo chen nach der Paarung fertigte das tertier aktiv mit verflüssigter Nahrung aus
betreffende Weibchen einen ersten Kokon ihrem Darmtrakt. Diese dritte Form der
an, der allerdings 3 Wochen nach dem Ko- Nahrungsfürsorge wurde bislang nur bei
kon bau gefressen wurde. Nach weiteren 5 sehr wenigen Arten beobachtet (z.B. Theridi-
Abb. 2: Tillandsia flabellata.
Wochen baute dasselbe Weibchen einen wei- on notatum, T. impressum) und wird als Regur- Foto: Kerstin Wandtke
teren Kokon ohne sich in der Zwischenzeit gitationsfütterung bezeichnet. Bei der vier-
zu häuten. Ein anderes Weibchen häutete ten Form der Nahrungsfürsorge legt das
sich gut 13 Wochen nach dem Kokonbau Weibchen zusätzlich kleinere Eier, die dem
ohne einen zweiten Kokon anzufertigen. geschlüpften Nachwuchs als Nahrung die-
nen (FOELIX, 1996).
HERANWACHSEN DER NYMPHEN Für die zweite und dritte Form der Nah-
rungsfürsorge muss das Weibchen jeweils in Abb. 1: Dendrobium-Hybrid.
Foto: Kerstin Wandtke
Etwa eine Woche nach ihrem Schlupf aus der Lage sein, seinen Nachwuchs bzw. die
dem Kokon häuten sich die Larven in das von dem Nachwuchs erzeugten Netzvibra-
erste Nymphenstadium. Die Nymphen sind tionen deutlich von Beutetieren und Feinden
mit einer Körperlänge von ca. 5 mm relativ zu unterscheiden (F OELIX , 1992; F OELIX ,
groß (Farbtafel Abb. 19) und bei separater 1996). Unterscheidungsvermögen und Tole-
Haltung am besten mit Mikro-Heimchen ranz sind notwendige Voraussetzungen für
(Acheta domesticus, Gryllus bimaculatus oder das Zusammenleben von Muttertier und Abb. 3: »Doritaenopsis« (Phalaenopsis x Doritis Hybrid).
Züchter: GERD RÖLLKE. Foto: Kerstin Wandtke
Gryllodes sigillatus), Fruchtfliegen (Drosophila Nachwuchs. Die Nymphen genießen durch
spec.) oder auch mit Mehlwurm (Tenebrio ihren Aufenthalt im mütterlichen Netz eine
molitor)-Stückchen zu füttern. Versorgung mit größerer Beute als sie selbst
Erstmals berichtete HOBBS (1990), dass je überwältigen könnten.
H. incei-Weibchen ihren Nachwuchs füttern. Die zweite Form der Nahrungsfürsorge
Diese Beobachtung wurde inzwischen konnte eindrucksvoll bei H. incei beobachtet
mehr fach bestätigt (STRIFFLER und W EIN - werden. Das Muttertier fängt größere Beute-
MANN , 2003; V ERDEZ und C LÉTON , 2001; tiere als die Nymphen selber erbeuten könn-
M ÜLLER , 1991) und wurde auch von uns ten und lässt diese an der Beute teilhaben.
wiederholt beobachtet. Mehrmals wurde beobachtet, dass das Weib-
Von vielen Spinnen ist bekannt, dass sie chen, nachdem es ein kleines Heimchen er-
ihre Brut pflegen, indem sie den Kokon tar- beutet und in sein Gespinst transportiert
nen, bewachen und verteidigen. Auch ist hatte, sofort wieder auf Jagd ging und auch
bekannt, dass einige Nahrungsfürsorge be- das nächste erbeutete Heimchen wieder in
Abb. 4: Solifugae sp. Abb. 5: Iomachus politus aus Ostafrika.
treiben (FOELIX, 1992; FOELIX, 1996). Dabei das Gespinst transportierte und dort ableg- Foto: John Osmani Foto: Boris Striffler
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13. ARACHNE 9(6), 2004 ARACHNE 9(6), 2004
Abb.6: Straußenfarm im Zentrum der Karroo-Wüste Südafri- Abb. 11: Häufig im Handel, aber schwer zu bestimmen, He- Abb.12: Einer der beliebtesten Skorpione, Pandinus imper-
kas, Heimat diverser Parabuthus Arten. Foto: Boris Striffler terometrus. Foto: Boris Striffler ator. Foto: Boris Striffler
Abb. 9: Männchen von Hadogenes bicolor, ein typischer
Spaltenskorpion. Foto: Boris Striffler
Abb. 7: Reichlich strukturiertes Trocken-Habitat in Zentral- Abb. 13: Einigen sicher aus dem Italien-Urlaub bekannt: Eus- Abb. 14: Holothele incei, Weibchen mit 3,5 cm KL.
Madagaskar. Foto: Helmut Huber corpius italicus. Foto: Boris Striffler Foto: Marcus Heller
Abb. 10: Ein Vertreter der für den Menschen gefährlichsten
Skorpione, die südamerikanische Gattung Tityus, mit typi-
schen schmalen Scheren und dem markanten Zahn unter
Abb. 8: Habitat von regenwaldbewohnenden Skorpionen. dem Stachel (fälschlich »Doppelstachel« genannt). Abb. 15: Holothele incei, adultes Männchen. Abb. 16: Holothele incei, bei der Paarung.
Foto: Helmut Huber Foto: Boris Striffler Foto: Martin Huber Foto: Martin Huber
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