Beim Science Slam zum Thema "Technisches Meisterwerk Körper" am 28. Mai 2017 hat sich mein Beitrag mit der Frage beschäfftigt: Wie nehmen Menschen den Klangunterschied zwischen analogen und digitalen Technologien wahr?
* Hören sie überhaupt einen Unterschied?
* Wenn ja, wie werten sie den Unterschied?
* Welchen Einfluss hat das auf den Umgang mit digitaler Musik?
Mein Fazit: Der Unterschied zwischen analoger und digitaler Musik äußert sich weniger in der hörbaren Qualität der Aufnahmen, als vielmehr in veränderten musikalischen Praxen.
Analog vs Digital - Science Slam zum Thema "Hören"
1. „analog vs. digital“
Äpfel mit Bananen vergleichen
Science Slam
Technisches Meisterwerk Körper
28.05.2017 Mannheim
Matthias Krebs
2. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Forschungsstelle Appmusik (FAM) an der UdK Berlin
Die Forschungsstelle Appmusik ist eine Einrichtung der Universität der Künste
Berlin, angesiedelt am UdK Berlin Career College.
http://forschungsstelle.appmusik.de
/ 2
UdK Berlin, Bundesallee 1-12
3. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Klassische Musik mit dem Smartphone? Video
• DigiEnsemble Berlin, Aufnahme Nov. 2011
https://www.youtube.com/watch?v=_t9t0kZRJ54
/ 3
4. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Klassische Musik mit dem Smartphone?
• DigiEnsemble Berlin, Aufnahme Nov. 2011
/ 4
War das eben Frank Zappa?
5. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Klassische Musik mit dem Smartphone?
• DigiEnsemble Berlin, Aufnahme Nov. 2011
/ 5
… ist das echt?
6. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Smartphones im Konzertsaal des Gewandhaus zu Leipzig Video
• Morgenstimmung - by DigiEnsemble Berlin und MDR Sinfonieorchester unter
Jun Märkl (1. Jan. 2012): https://www.youtube.com/watch?v=SngPaTYTfqw
/ 6
7. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Publikumssicht
/ 7
Im Konzertsaal: kein Hörunterschied
Im mdr Radio: kein Hörunterschied
Im Fernsehen: … ist das echt?
8. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Publikumsreaktion
/ 8
Stammt der Klang echt von den Apps?
Musizieren die Musiker auf den Smartphones live?
Wie unterschieden sich analoge von digitalen Aufnahmen?
9. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Gibt es einen Unterschied?
• Wie nehmen Menschen den Klangunterschied zwischen analogen und digitalen
Technologien wahr?
• Hören sie überhaupt einen Unterschied?
• Wenn ja, wie werten sie den Unterschied?
• Welchen Einfluss hat das auf den Umgang mit digitaler Musik?
/ 9
10. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Digital ist besser…
Aussagen von Tonmeister_innen:
• „Alle Musikaufnahmen waren irgendwann mal digital.“
• „Alles, was wir hören, ist analog.“
• Studios arbeiten heute digital:
• kostengünstiger, wartungsärmer, flexibler,
leichter verteilbar, verlustfrei kopieren,
kleinere Aufnahmegeräte
• Analoge Studios sind totale Nischen
/ 10
6. März 1995
11. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Digitalisierter Klang
• iPhone/iPad support up to 24 bit / 48 kHz, iPad with CCK up to 24 bit / 96 kHz"!
• Das Abtasttheorem nach Niyquist-Shannon besagt, dass das ursprüngliche Signal exakt
rekonstruiert werden kann.
/ 11
12. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Unterschiede in der Darstellung des Frequenzspektrums
/ 12
13. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Analog ist besser…
Zum Thema Schallplatten (Master Class HiFi)
• „So gesehen hat die Schallplatte große klangliche Vorteile. Sie ist ein
analoger Tonträger mit einer natürlichen Auflösung. […] Das beste
Messwerkzeug ist auch hier unser Gehör.
• Die Schallplatte hat aber prinzipiell das Potenzial für perfekten Klang. Schon
das Auflegen und Reinigen der Schallplatte ist ein Akt mit Kultstatus. Und
wenn sie sich dann auf dem Plattenteller dreht macht es einfach Freude dabei
zuzusehen. Dazu kann man sich an der Cover-Art erfreuen und die Liedtexte
lesen.“ (http://www.klang-stark-hifi.de/masterclasshifi.html)
• Kult ---> Sammelleidenschaften
/ 13
17. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Digitale Transformation: Lehrsätze der digitalen Revolution
/ 17
(3. Die Digitalisierung hat gerade erst begonnen.)
Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert.
18. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Hörtest: „Wir klären heut die Frage: Was klingt besser – analog oder digital?“
„Gibt es einen Unterschied zwischen analogen und digitalen Aufnahmemedien?“
http://www.delamar.de/video-workshops/analog-digital-vergleich-25097/#toggleComments
/ 18
19. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Unterschiede digitaler und analoger Aufnahmen
• Gibt es einen Unterschied zwischen analogen und digitalen Aufnahmemedien?
• Können die Leser_innen/Zuschauer_innen Unterschiede zwischen
analoger & digitaler Aufnahme hören?
• Ordnen sie richtig zu?
• Wie werten sie den Unterschied?
/ 19
20. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Der Analog vs. Digital Vergleich
• Viel wurde und wird diskutiert […] warum digitale Aufnahmetechnik der
analogen Welt im Tonstudio angeblich hinterher hinken würde. (delamar.de)
• Ergebnis des Hörtests:
• über 70% richtig
• Auswertung von 89 Leserkommentare:
• 1/3 Facebook-Kritik
• Bewertung unterschiedlich zu Experten
• 1/3 kritisieren den Test
/ 20
21. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Der Selbsttest
• Für den Test wurden folgende Technologien
herangezogen:
• digitale Wandler von Pro Tools HD
• analoge Bandmaschine Studer A80
• Aufnahme 1
• Aufnahme 2
• Hören Sie auf das Einschwingverhalten
• Hören Sie auf den Bassbereich und die Höhen
/ 21
22. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Leserkommentare
• Analog bietet mehr Raum im Mix, alle Sounds sind einfach besser ortbar, da
die Transienten etwas komprimierter erscheinen.
• Dass Analog im Gegensatz zu Digital auch heute noch einfach satter klingt
und mehr Dichte hat, ist wohl bekannt und mir jedenfalls absolut keine
aufgezwungene Facebook-Mitgliedschaften wert, weder um Dinge zu
bestätigen noch zu hinterfragen ;-)
• Es gibt Restaurants, denen ist es egal welches Öl in den Salat kommt. Und es
gibt Gäste, die würden den Unterschied nicht merken. Viele Restaurants nutzen
diesen Umstand aus, und füttern ihre anspruchslose Kundschaft mit
anspruchslosen Essen.
/ 22
23. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Leserkommentare
• "Digital ist immer etwas harscher ... digitaler(!) ... zu definiert ... zu arrogant
obenrum..." Abgesehen von diesem Geschwurbel, wer nimmt denn heute noch
mit 16 Bit auf? Euer Vergleich ist ungefähr so sinnvoll wie ein Vergleich
zwischen einer Analog- und Digitaluhr, wobei ihr der Digitaluhr die
Sekundanzeige streicht und dann wissen wollt welche Uhr die Zeit "besser"
darstellt oder der Unterschied besteht.
• interessant, aber der Test kann so nicht funktionieren. […] Ich hab den Test mit
Zerstückelung und blind hören gemacht und kann weder über die Boxen noch
mit AKG Kopfhörern hören wann wie aufgenommen wurde. Hör also keinen
Unterschied.
/ 23
24. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Leserkommentare
• Es stellt sich mir die Frage, warum überhaupt Aufnahmetechnik aus den 70ern
mit Digital-Einstellungen aus den 80ern vergleichen? Wir schreiben schließlich
das Jahr 2014.
• Den Hörer interessiert es nicht! Es bedient natürlich ein Klientel an Haarspaltern,
die sich mit solchen Dingen aufhalten - fotografisch oder musikalisch - anstatt
etwas einzigartiges zu schaffen. …am Ende machen wir eh nur Musik.
• Die Diskussion was nun besser oder schlechter ist empfinde ich persönlich als
hinfällig. Es klingt einfach nur "anders". Wirklich interessant wäre es gewesen,
wenn man eine dritte Datei hinzugefügt hätte, bei der die digital aufgenommenen
Spuren noch durch ein UAD Studer Plugin oder die Steven Slate Tape Emulation
gelaufen wären, mit dem Ziel einen ähnlichen Sound wie beim Original
einzustellen.
/ 24
25. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Leserkommentare
• Als ich das ersten mal eine CD gehört habe fand ich den Klang gegenüber der
von der Platte mit dem gleichen Stück als sehr unangenehm. Nachdem ich
mich daran gewöhnt habe empfinde ich mittlerweile den Klang von Platte und
Tonband verwaschener aber nicht unbedingt schlecht. Die Platte war schon
vielfach abgespielt worden. Sie machte Geräusche. Die CD nicht.
• Ich bin 53 und wenn ich ein Monosignal anhöre dann ist es leicht rechts. Das
wandert sogar hin und her je nach Frequenz. Mit Frequenzgenerator getestet.
Ich hatte einen Hörsturz. Aber den Unterschied höre ich.
/ 25
26. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Fazit aus dem Hörvergleich (delamar.de)
• Wir halten fest, die Leser_innen hören Unterschiede zwischen den beiden
Aufnahmen.
• Einige Leser beschreiben, dass sich deren Präferenz mit der Zeit verändert hat.
• Der Titel und die Ankündigung des Hörtest sorgte bei einigen Leser_innen für
Irritation, da es wohl weniger um besser und schlechter gehen konnte. Sondern
höchstens um Geschmack.
• Zur Verwirrung hat wohl beigetragen, dass die Files mit unterschiedlicher
Samplerate (96kHz & 192kHz) angeboten wurde, die keine
entscheidende Auswirkung auf den Hörvergleich hat.
• Links:
• http://www.delamar.de/video-workshops/analog-digital-vergleich-25097/#toggleComments
• http://www.delamar.de/video-workshops/aufloesung-vergleich-analog-digital-25349/#toggleComments
/ 26
27. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Begrenzungen der analogen Schallplatte
• Dynamikbereich: Schallplatte in der Praxis kaum mehr als 40 dB
• Störgeräusche: Das vinyltypischen Rauschen, das tieffrequente Rumpeln und
die durch Staubkörnchen in der Rille verursachten Knackser
• Frequenzspektrum: Schallplatten können in der Regel Frequenzen bis
maximal 12 Kilohertz linear wiedergeben und das gilt auch nur für die
äußersten Rillen am Anfang einer Seite
• Verzerrung: Speziell im Bassbereich kommt die Schallplatte auf Werte, die das
ursprüngliche Signal schon deutlich verändern.
• Rückkopplung: Im Prinzip funktioniert ein Tonabnehmersystem wie ein Mikrofon
• …
• Schallplatte erfüllt nicht einmal die Forderungen der altehrwürdigen
DIN Norm mit der Nr. 45500, die seit den Sechzigerjahren die offizielle
Messlatte für „High Fidelity“ darstellt.
/ 27
28. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Ganz allgemein neigen beide Seiten dazu, für den Musikgenuss ziemlich
unerhebliche Werte zu vergleichen.
• Die Schallplatte kann die allerletzten Obertöne nicht korrekt darstellen?
• 99 Prozent aller Menschen merken das nicht einmal im direkten
Vergleich, weil praktisch jedes Gehör von einer zivilisatorischen
Errungenschaft namens „Lärm“ geschädigt ist.
• Die CD kommt noch ein paar Hertz tiefer?
• Was soll das bringen, wenn die meisten Menschen keine Lautsprecher
zu Hause haben, die die allerschwärzesten Bässe darstellen könnten.
• Die CD verfügt über den überlegenen Dynamikbereich?
• in fast allen Hörsituationen außerhalb des Konzertsaals wirkt viel
Dynamik nur störend.
/ 28
29. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
„Guter Klang“ – Ein Ausdruck, zwei Bedeutungen
• Die einen sagen, etwas „klingt gut“, wenn der Klang ihnen zusagt.
• Z.B. Klang einer verzerrten E-Gitarre
• Das Ergebnis klingt nicht mehr wir eine Gitarre Sound
• Die anderen nutzen den Ausdruck „guter Klang“ als Synonym für „hohe
Klangtreue“.
• also der möglichst naturgetreuen Wiedergabe dessen, was der
Toningenieur beim Abmischen einer Aufnahme im Studio gehört hat.
• „High Fidelity“ ---> Nicht „Perfect Fidelity“, weil es immer nur eine
Annäherung an den ursprünglichen Sound geben kann.
/ 29
30. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Veränderung der Wahrnehmung
• Den größten Einfluss dürften aber Gewöhnungseffekte haben.
• Der „warme“ Klang der Schallplatte hat hauptsächlich zwei Gründe: Den
reduzierten Höhenpegel und die Verzerrungen im Bassbereich (auch
sog. „harmonische Verzerrungen“).
• Die CD klingt wohl für manche Ohren steril und kalt, weil die liebgewonnenen
Unzulänglichkeiten der Schallplatte fehlen.
• Gewöhnungseffekte können aktuell auch bei einem anderen Technologien
beobachtet werden:
• Kinofilme (z.B. Hobbit, Peter Jackson (48 fps), Avatar 2 (60 fps)
• aalglattes Bild ohne Filmkorn, hohe fps etc. ---> „videolike“
• 4K-Fernsehgeräte
• Scharfes Bild, hohe fps etc. ---> „sieht nach Telenovela aus“
/ 30
31. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Zwischenfazit
• Einfach wieder mehr über die Musik anstatt
über die verwendeten Technologien sprechen.
• (auch wenn letzteres wohl leichter fällt)
• Musik die gefällt, bereitet auch mit
tonqualitativen Unzulänglichkeiten
wesentlich mehr Hörgenuss als der
umgekehrte Fall!
• Musikhören wird wissenschaftlich erforscht,
wird von Nutzer_innen buchhalterisch
aufgearbeitet, bleibt jedoch als ästhetische
Erfahrung ein Geheimnis.
/ 31
32. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Digitalisierung verändert Nutzungsformen und Erfahrungsräume
• Atmosphärische Gestaltung eines Ortes durch die Personalisierung des Hörens
-> subjektivierter Erfahrungsraum
-> immersive Erfahrungswelten
-> zunehmende Virtualisierung der Musik und ihrer Hör- und Wirkungsräume
• Das Gehirn hat eine Eigenschaft, die mit der Gegenwart nichts zu tun hat.
• Digitalisierung ermöglicht Entkopplung
• Heute leicht selbst via Virtual Reality erfahrbar
• Verändert Nutzungs- und Aneignungsformen
• Virtualisierte Musikproduktion / virtualisiertes Musizieren
• Appmusik
/ 32
33. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Fallbeispiel: Fusions – Contemporary App Music
• Berliner Dom, Juni 2014: https://www.youtube.com/watch?v=cUcDt4KENj0
/ 33
34. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Fallbeispiel: „Atemlos“ von den SuperGirls / app2music
/ 34
• https://www.youtube.com/watch?v=xChRKkADGnM
35. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Gibt es einen Unterschied?
• Der Unterschied zwischen analoger und digitaler Musik äußert sich weniger in
der hörbaren Qualität der Aufnahmen, als vielmehr in veränderten
musikalischen Praxen.
• Zu vorhandenen Musikpraxen kommen hinzu:
• Mobile Musik
• Augmented Sounds
• Algorithmische Musikstücke
• Digitales Musizieren
• Appmusik
• etc.
• Demokratisierung, Virtualisierung, Flexibilisierung, process gratification
• Urheberrecht, Kulturelles Erbe, Kapitalisierung
/ 35
36. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Nehmen Sie gern Kontakt mit mir auf.
Mehr zum Thema:
www.forschungsstelle.appmusik.de
Musikmachen mit Apps
Matthias Krebs
research associate
matthias.krebs@udk-berlin.de
37. Matthias Krebs | www.forschungsstelle.appmusik.de
Vielen herzlichen Dank an Leo, Rebecca, Sabina und das komplette Science
Slam-Team
/ 37