Jetzt über aktuelle Trends wie "Shareconomy", "Unterwachung", "Bauern empowern" & Co lesen, garniert mit coolen Fallbeispielen aus aller Welt.
Entweder jetzt und hier. Oder als PDF runterladen.
Oder sogar als Buch bestellen (das sind dieses Dinger aus Papier).
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Dann auch inklusive cooler Reise- und Innovationsberichte vom "lab around the world": http://trendreport.betterplace-lab.org/
Wir danken SAP für die Unterstützung! Das betterplace lab Team.
5. Wie sich die digitale
Zivilgesellschaft in Zukunft
entwickelt
Herzlich willkommen zum betterplace lab Trendreport 2014! Zum
dritten Mal in Folge bündeln wir die interessantesten digital-so-zialen
Trends, Cases und Insights der letzten zwölf Monate: neue
Online-Fundraisingformate wie die Giving Days (S.!35), span-nende
Entwicklungen in der Landwirtschaft (Bauern empowern,
S.!95), Digitale Nothilfe (S.!87) und den politischen Trend der Unterwachung
(S.!65)!– um vier der zehn Trends in dieser Ausgabe zu nennen.
Aber waren es nicht immer zwölf Trends pro Trendreport? Stimmt. Haben wir
diesmal nicht ganz gescha"t. Denn im Frühjahr dieses Jahres gingen wir auf
digital-soziale Entdeckungsreise: Während des sechswöchigen lab around the
world waren acht Leute unseres Teams in 14 Ländern, von Brasilien über China
bis Kenia und Indonesien, um Innovationen und spannende Gesprächspart-ner
vor Ort aufzuspüren. Wie bunt der Strauß der Erkenntnis ist, den wir mit-gebracht
haben, zeigt das beigelegte Extraheft. Und obwohl dieser globale
Blick auf die digitale Zivilgesellschaft zunächst nur ein Blinzeln war, haben wir
genug gesehen, um das Potenzial dieser Forschung zu erkennen!– wir werden
nun jedes Jahr losziehen. So können wir Underground-Innovationen aufspü-ren,
die nicht in den großen Industrienationen entwickelt werden, sondern von
Bürgern, Gemeinschaften und Institutionen in ärmeren und medial weniger
präsenten Ländern.
Besonders freut uns, dass SAP, der weltgrößte Anbieter von Unternehmenssoft-ware,
Partner des Trendreports geworden ist. Uns verbindet das Anliegen, die
Zivilgesellschaft in Deutschland digital kompetenter und damit zukunftsfä-higer
zu gestalten. Zu diesem Zweck scouten und kuratieren wir nicht nur die
digital-sozialen Highlights für den Trendreport, sondern haben gemeinsam das
Onlinehelden-Programm ins Leben gerufen (S.!60).
Wie wichtig digitale Kompetenz für alle ist, die für eine bessere Welt arbeiten,
wurde im Zuge des NSA-Überwachungsskandals deutlich. Anders als der Um-schlag
vermuten lässt, wollen wir keine Schwarzmalerei betreiben. Aber auch
NGOs, Stiftungen und andere soziale Akteure operieren in der digitalen Welt
und müssen ihren Daten mehr Aufmerksamkeit schenken. Sie müssen Informa-tionen
von Spendern und Begünstigten, darunter sozial schwache Gruppen und
potenziell bedrohte Aktivisten, besser schützen. Es gilt, gemeinsam Strukturen
und Verhaltensformen zu scha"en, die den Risiken der Digitalisierung der Zi-vilgesellschaft
entgegenwirken. Nur so können wir das Potenzial von Internet
und Mobilfunk für eine e"ektivere soziale Arbeit nutzen und weiterentwickeln.
In diesem Sinne wünschen wir euch eine inspirierende, überraschende Lektüre.
Joana Breidenbach und das betterplace Lab Team
PS: Achtung beim Lesen der Cases: Please try this at home.
Vorwort
3
6. Making-of
Als kleine Au!ockerung des stark qualitativen Trendreports
servieren wir hier ein paar quantitative Häppchen.
2.000 Stunden bzw. 250 Personentage haben wir am Trendreport
geschrieben (Autoren s. S. 118).
25 Personentage haben wir redigiert.
750 kcal haben wir dabei fürs Treppensteigen ins betterplace-
Büro verbraucht (5. Stock, 30 kcal pro Stieg).
3.000 € kosten die Illustrationen.
6.100 € kostet das Layout.
12.500 € kostet der Druck.
4.000 € kostet der Druck der ‚lab around the world‘-Broschüre.
20 Klinken haben wir geputzt, um Geld zur Finanzierung des
Trendreports zu bekommen.
20 Türklinken in Deutschland waren zwischenzeitlich fast
keimfrei.
542 Menschen haben den Trendreport 2013 bestellt und wurden
gebeten, dafür zu spenden.
178 Leute haben im Durchschnitt 9,08 Euro für den Trendreport
2013 gespendet.
2 Minuten und 23 Sekunden verweilen die Besucher unserer
Webseite trendreport.betterplace-lab.org.
2,27 Seiten gucken sie sich im Durchschnitt dabei an.
Mit 3.800 Trendreports 2014 werden wir diesmal Menschen
aus der Zivilgesellschaft inspirieren, ihr soziales Engagement
zu verbessern.
4
7. Inhalt
Vorwort # S. 3
Making-of # S. 4
Übersicht S. 6 $
Anleitung S. 8 $
Digital-soziale Innovationen S. 10 $
1 Hackathons S. 13 $
Cases S. 18 $ /Interview S. 21 $
2 Offline S. 25 $
Cases S. 30 $
3 Giving Days S. 35 $
Cases S. 39 $
4 Crowdfunding S. 43 $
Cases S. 48 $
5 Shareconomy S. 53 $
Cases S. 57 $
6 Unterwachung S. 65 $
Cases S. 69 $ / Insight S. 72 $
7 Silbersurfer S. 77 $
Cases S. 82 $
8 Digitale Nothilfe S. 87 $
Cases S. 91 $
9 Bauern empowern S. 95 $
Cases S. 99 $ / Insight S. 102 $
10 Facebook fürs Gute S. 107 $
Cases S. 112 $
Onlinehelden S. 60 $
Interview S. 62 $
Schlusswort S. 117 $
Impressum S.118 $
Förderer S.119 $
Index S. 120 $
5
8. Kreativ-kollision
HACKATHONS S.%13 $
Immer häu&ger tref-fen
sich Konzepter
1
und Coder auf Hackathons.
Berauscht von Schla!osigkeit,
Energydrinks und dem Drang,
Ideen Leben einzuhauchen,
entwickeln sie erstaunliche so-ziale
Innovationen.
Teil sein
SHARECONOMY S.%53 $
Immer mehr post-materiell
eingestellte
5
Leute teilen sich Werkzeug,
Couch und Auto mit anderen.
Das schont Geldbeutel und
Ressourcen gleichermaßen.
Auf Online-Plattformen lassen
sich Vertrauen und Abwicklung
einfach organisieren.
Echt
OFFLINE S.%25 $
Spazierengehen ist
das neue Mobile, Par-tys
sind der bessere
Hangout. Wer sich zu stark auf
Online, Webseiten und Apps
konzentriert, verpasst das
wahre Leben: O'ine werden
auch die Strippen fürs Weltver-bessern
gezogen.
2
Geldquelle
CROWDFUNDING S.%43 $
Schon fast ein Klassi-ker
der Finanzierung:
Auf dem mehrere Milliarden
schweren Crowdfunding-Markt
holen sich Er&nder für Prototy-pen,
Musiker fürs erste Album
und Gründer für ihr Sozialun-ternehmen
Startkapital.
4
Wahn
GIVING DAYS S.%35 $
Zeitlich begrenzte
Aktionstage reißen die
Menschen aus der Spen-denlethargie.
An Giving Day tun
3
sich Unternehmen, Medien und
soziale Organisationen zusam-men
und stacheln die Bevölke-rung
an, neue Spendenrekorde
aufzustellen.
6
9. 9
Parallelwelt
FACEBOOK
FÜRS GUTE S.%107 $
Bei Facebook lässt sich
10
fast jeder berieseln, Stichwort
Katzenvideos. Soziale Orga-nisationen
und Initiativen
strengen sich an, dort auch
wichtige Themen zu verbreiten,
und nutzen den Zugang zu 800
Millionen Menschen, um Gutes
zu tun.
Small
Brother
UNTERWACHUNG S.%65 $
Das Volk nutzt Kame-ras,
Datenbanken und
6
Smartphones, um Korruption
und schlechtes Benehmen bei
Politikern aufzudecken. So sor-gen
die Watchdogs für Trans-parenz
und bilden ein Gegenge-wicht
zur politischen Macht.
Aufblühen
SILBERSURFER S.%77 $
Alte Menschen brau-chen
halt etwas län-ger.
7
Aber nun sind sie im Netz
angekommen und holen mäch-tig
auf mit Tablets, Tabletten-
Apps und Webseiten für ihre
Senior-Bedürfnisse. Das Feld
der sozialen Innovationen für
Alte ist groß und wird gerade
erst erschlossen.
Digitale
Ernte
BAUERN EMPOWERN S.%95 $
Wer Handys sät, ern-tet
SMS: Kleinbauern
in armen Ländern verscha(en
sich über Info-Dienste Zugang
zu wichtigen Informationen
und brechen so Wissensmo-nopole
auf. Das steigert die
Erträge und könnte zu mehr
Gerechtigkeit führen.
Stresstest
DIGITALE NOTHILFE S.%87 $
Die Zeit nach Wirbel-stürmen,
Erdbeben
8
oder Terroranschlägen ist ge-prägt
von Chaos, Kontrollver-lust
und Panik. Doch die vielen
Informationen, die Betro(ene
in sozialen Netzwerken streuen,
werden zunehmend strukturiert
genutzt, um besser helfen zu
können.
7
10. So funktioniert
der Trendreport
Im Internet sprießen täglich unzählige neue digitale Ideen, An-wendungen
und Projekte. Uns vom betterplace lab Trendreport
entgeht kaum einer dieser CASES, wie wir sie nennen. Aus diesen
CASES, die immer eine Innovation mit sich bringen, leiten wir
TRENDS ab. Auf trendreport.betterplace-lab.org haben wir bereits fast
600 CASES zusammengetragen: von der App gegen Polizeiwillkür in New York
(Stop and Frisk Watch) bis zu digitalen Signalbomben bei Naturkatastrophen
in China (Iyiyun).
Die CASES untersuchen wir nach gemeinsamen Eigenschaften und identi!-
zieren so neue digitale Trends für die Zivilgesellschaft. Wenn wir immer mehr
CASES !nden, bei denen alte Menschen mit Tablets und Software ihre Lebens-qualität
verbessern, nennen wir den TREND Silbersurfer (S."77). Und wenn Pro-grammierer
immer häu!ger mit Konzeptern aus der Zivilgesellschaft Energy-drinks
trinken, um tagelang schla#os zu programmieren, ist klar: Hackathons
sind ein TREND (S."13).
Innerhalb der Trendbeschreibungen versuchen wir, sowohl die Perspektive der
Geldgeber (Stiftungen, Spender etc.) zu berücksichtigen als auch jene der so-zialen
Organisationen. Doch wie auch auf Seite 10 beschrieben, ist die Institu-tionen-
Denke manchmal hinderlich. Menschen engagieren sich immer häu!ger
spontan und in informellen Netzwerken für das Wohl der Zivilgesellschaft. Die
zentrale Frage, die wir mit den digital-sozialen TRENDS dem Leser stellen: Wie
lassen sich diese neuen Ideen und Möglichkeiten auf das eigene Engagement
übertragen? Dazu mehr auf der nächsten Seite.
Und obwohl wir Digitaloptimisten sind, formulieren wir zu jedem TREND nicht
nur die Chancen, sondern auch eventuelle Risiken. Zusammen mit der zeitlichen
Entwicklungsstufe des TRENDS soll das helfen, die Relevanz der TRENDS für die
eigene Arbeit einzuschätzen. Wie weit die TRENDS zeitlich fortgeschritten sind,
lässt sich an den P#änzchensymbolen ablesen: Am Anfang noch underground,
entwickeln sich die TRENDS von zarten Trieben zu stabilen Gewächsen.
1. 1.
2. 3.
Dieser Trend steht
am Anfang seiner
Entwicklung
2.
Dieser Trend
wächst heran
3.
Dieser Trend ist
etabliert
Zehn TRENDS sind hier versammelt, online erweitern wir den Trendreport stetig.
Einige CASES sind so interessant, dass wir ihnen mehr Aufmerksamkeit schen-ken.
Wenn beispielsweise die Crowdfunding-Plattform Meu Rio an der Copaca-bana
den etablierten TREND Crowdfunding mit neuen Ideen aufmischt, dann
schreiben wir ein sogenanntes INSIGHT. Darin analysieren wir ausführlich den
Kontext, leiten Mechanismen ab und sprechen mit den Machern"– in diesem Fall
waren wir im Rahmen des lab around the world sogar vor Ort.
Der Trendreport funktioniert also als Dreiklang aus CASES, TRENDS und INSIGHTS.
PS: Es stört dich ho$entlich nicht, dass wir dich hier duzen. Wir kennen uns ja
nun schon drei Jahre ;)
Anleitung
8
11. So nutzt du die Trends
für deine Arbeit
Viele Cases aus dem Trendreport erscheinen auf den ersten
Blick speziell. Du fragst dich: Was hab ich davon, wenn eine
Organisation in Indien Bauern mit Videos und Mini-Projektoren
landwirtschaftlich schult? (s. Insight Digital Green S.%102). Doch
auch wenn du in der Altenp!ege arbeitest, ist mehr als nur der
Trend Silbersurfer (S.%77) interessant für deine Arbeit. Es geht darum, Ideen und
ihr Potenzial von der ursprünglichen auf die eigene Situation zu übertragen.
Wieso nicht das Prinzip, mit dem Digital Green bestehende Prozesse optimiert,
auf die Altenp!ege übertragen? Mit Filmen, die von den Altenp!egern selbst
produziert werden, mehr Akzeptanz in der Fortbildung scha(en?
Der Trendreport ist ein Buch zum Mitdenken. Wir zeigen dir die Mechanismen,
Bedürfnisse und Motivationen hinter den digital-sozialen Innovationen und
beschreiben mit den Trends zukünftige Entwicklungen. Cases helfen dir, kon-krete
Ideen nachzumachen oder angepasst auszuprobieren%– veranstalte selbst
mal einen Hackathon. Trends solltest du mit Blick auf deine Strategie im Hin-terkopf
behalten: Wenn sich die Nothilfe weiter digitalisiert%– sind weiterfüh-rende
Literatur und Fortbildungen für dich und dein Team sinnvoll? Falls nicht,
so hat dich allein schon der Text zum Trend schlauer gemacht ;)
Wenn dich nun ein Beispiel aus dem Trendreport besonders inspiriert oder du ei-ne
Idee hast, mit der du einen Trend konkret anwenden willst%– dann probier es
aus! Es lohnt sich, denn Trends können über einzelne Experimente hinaus auch
die Vision deiner Organisation und deiner Arbeit positiv beein!ussen. Lass dich
anregen, neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, bei bestehen-den
Initiativen mitzuwirken und neue spannende Kooperationen einzugehen.
Auf diese Weise können neue Geschäftskonzepte und grenzenüberschreitende
Partnerschaften entstehen, die dazu beitragen, die Zivilgesellschaft insge-samt
zu stärken. Hab den Mut, zu experimentieren und Risiken einzugehen.
Wie wir dir dabei helfen können, steht auf Seite 116.
Dies ist bereits die dritte Ausgabe des betterplace lab Trendreports. Viele der
Trends aus den Ausgaben 2012 und 2013 sind auch heute noch spannend. Deshalb
lohnt sich ein Blick auf trendreport.betterplace-lab.org/trends. Dort &ndest du auch
den Trend Produktiv Scheitern, der dir zeigt, wie du selbst aus Misserfolgen
noch Lernerfolge machst und damit vor den anderen gut dastehst. Es kann
also eigentlich nix mehr schiefgehen!
Anleitung
9
12. Was sind eigentlich digital-soziale
Innovationen?
2010 haben wir das betterplace lab gegründet, um die Schnitt-stelle
zwischen digitalen Technologien und sozialem Handeln zu
untersuchen. Wenn beispielsweise eine App medizinische Fern-diagnosen
an Menschen in entlegenen Gebieten ermöglicht,
geben wir einer solchen Innovation das Prädikat digital-sozial.
Digital-soziale Innovationen
Schon bald nutzten auch andere deutsche Institutionen den Begri(, mittlerwei-le
taucht er sogar im englischen Sprachgebrauch auf. Diese Verbreitung deutet
darauf hin, dass sich immer mehr Menschen die Frage stellen, wie digitale Medien
auf die Zivilgesellschaft wirken. Auch neue universitäre Institute wie das Digital
Civil Society Lab der Stanford-Universität deuten darauf hin.
Doch weder digital noch sozial sind eindeutige Begri(e. Bei sozial denkt man-cher
zuerst an soziale Medien wie Facebook oder Twitter. Oder an gesellschaft-liche
Ereignisse wie den Bundespresseball. Wir haben in den ersten Jahren sozial
hauptsächlich auf den sogenannten sozialen Sektor bezogen; also auf alle Ins-titutionen
und Akteure, die im gemeinnützigen Bereich agieren: in Vereinen und
gemeinnützigen GmbHs, Stiftungen, CSR-Abteilungen, aber auch in der staat-lichen
Entwicklungszusammenarbeit, im Bildungs- und Gesundheitswesen. „So-ziale“
Menschen sind für uns solche, die emphatisch sind und sich um ihre Mit-bürger
kümmern. Mit dem Begri( digital hingegen meinen wir die Nutzung von
Internet- und Mobilfunktechnologie.
Wir gehen davon aus, dass ziviles Engagement immer eines der drei folgenden
Ziele verfolgt: Erstens drückt es bestimmte Identitäten und Werte aus (expres-sive
Dimension). Zweitens protestiert es für oder gegen bestimmte Themen oder
Bevölkerungsgruppen. Drittens dient es der Verteilung von Gütern und Dienst-leistungen,
welche der Markt oder die ö(entliche Hand nicht bereitstellen.
Beim Schreiben des diesjährigen Trendreports wurde deutlich, dass sich sowohl
das Digitale als auch das Soziale stark verändern. So stark, dass wir gerade unsere
betterplace lab Vision und Mission dementsprechend überarbeiten. Denn der
Begri( digital löst sich zunehmend in Normalität auf: Jeder Aspekt des Lebens
wird bald eine digitale Komponente haben. Mit dem Internet of Things beginnt
eine neue Phase, in der immer mehr Alltagsgegenstände wie Kühlschränke, Au-tos,
Brillen oder Jacken Sensoren und andere digitale Technik enthalten und zu
Kommunikationskanälen werden.
Zugleich sehen wir, dass der soziale Sektor eine zu eingeschränkte Konstrukti-on
ist, um dem zeitgenössischen zivilgesellschaftlichen Engagement gerecht zu
werden. Nicht nur werden die Grenzen zwischen NGOs, Kirchen, CSR- Abteilungen
und Stiftungen immer durchlässiger. Unsere Trendforschung und weltweite
‚lab around the world‘-Forschungsreise zeigen, dass viel mehr Menschen und
Institutionen als nur die des klassischen sozialen Sektors digitale Techniken ent-wickeln
und fürs Gemeinwohl einsetzen.
Dazu zählen Sozialunternehmer, die soziale Probleme mit kommerziellen
Geschäftsmodellen angehen (Beispiel Mikrokredite oder Produkte, die soziale
Projekte unterstützen, Quartiermeister etc.). Oder Unternehmen, die sich ihrer
gesellschaftlichen Verantwortung bewusst werden und ihr Handeln oder ihre
Ausrichtung entsprechend umstellen. Daneben gibt es viele Mischformen, die For-
Pro&t- und Not-For-Pro&t- Rechtsformen und -Strategien kombinieren.
10
13. Digital-soziale Innovationen
Es gibt auch immer mehr informelle Netzwerke und Aktivistengruppen, die sich
punktuell zusammenschließen und scheinbar keine formale rechtliche Hülle be-nötigen.
Dazu zählen auch jene, die im Amerikanischen unter dem Begri( „Civic
Tech“ zusammengefasst werden: Technologie-a)ne Gruppen, die sich im Bereich
Open Data und Open Government einsetzen, um die Kommunikation zwischen
Bürgern und Regierung durch technologische Anwendungen zu verbessern. Digi-tale
entstehen oft innerhalb dieser Spezialistengruppen. Dem gegenüber stehen
die sozial Engagierten, die von den Möglichkeiten überwältigt sind. Hier gilt es,
Brücken zu schlagen zwischen jenen, die sich auskennen, und jenen, die die Inno-vationen
mit größtmöglicher Wirkung fürs Gemeinwohl einsetzen können.
In den vergangenen Jahren haben wir beobachtet, dass etablierte zivilgesell-schaftliche
Organisationen digitale Medien schwerpunktmäßig nutzen, um
ihre bestehende Arbeit zu verbessern. Oft geschieht dies nur reaktiv, um den
Anschluss an die digitale Entwicklung nicht zu verpassen. Die Innovatoren, die
digitale Technologien auf neue Art verwenden, oder gänzlich Neues er&nden,
stammen dagegen meist nicht aus dem alteingesessenen gemeinnützigen Be-reich
%– sie kommen aus den unterschiedlichen Branchen und sozialen Szenen
(Hacker, Datenaktivisten etc.), aus neuen Technologieunternehmen, Werbe-agenturen,
Universitäten und Co-Working-Büros.
Eine für uns sehr spannende Frage für zukünftige Entdeckungsreisen%– ob im Feld
oder im Kopf: Wieso emp&nden so viele digital-soziale Pioniere die traditionel-len
institutionellen Organisationsformen (seit den 70er-Jahren insbesondere die
NGOs) als für sich wenig geeignet? Eine erste Vermutung wäre, dass die Welt-sicht
der „alten“ NGOs immer noch in einer Dichotomie zwischen „West und
Rest“ verharrt und diese NGOs dazu tendieren, die Empfänger ihrer Arbeit zu
Opfern zu stilisieren. Die neuen Akteure dagegen sehen die Welt als eine Einheit,
vernetzt durch moderne Kommunikationstechnologien. Sie sehen ein Problem
vor der eigenen Haustür oder am anderen Ende der Welt und organisieren sich,
um darauf aufmerksam zu machen und es zu lösen. Die dezentrale und tempo-räre
Arbeitsweise von beispielsweise Kampagnenmachern passt nicht in die ver-gleichsweise
starren bestehenden rechtlichen Rahmen, die auf Vor-Ort-Präsenz
und Kontinuität ausgerichtet sind. Und Sozialunternehmen sehen die Begüns-tigten
nicht als Opfer, sondern als Kunden.
Ebenso interessant ist die Frage, wie diese unterschiedlichen Akteure%– klassische
soziale Sektor-Institutionen und neue Netzwerkorganisationen, Non-for-Pro&t-und
For-Pro&t-Unternehmungen%– zukünftig koexistieren werden: Werden wir
Mischformen zwischen beiden, eine Art Hybridisierung, sehen? Wird eine Form
die andere ablösen oder werden sie in Paralleluniversen existieren?
Aus diesen Überlegungen folgt, dass sich der betterplace lab Trendreport nicht
mehr nur an eine enge Gruppe von Organisationen des sogenannten sozialen
Sektors wendet, sondern an alle zivilgesellschaftlich aktiven Menschen. Deshalb
verstehen wir heute unter „digital-sozialen Innovationen“ alle Entwicklungen,
bei denen Menschen und Institutionen unabhängig von ihrer Rechts- und Finan-zierungsform
mit ihren privaten Ressourcen (Zeit und Geld) neue Technologien
einsetzen, um das ö(entliche Wohl zu verbessern%– um dafür zu sorgen, dass so
viele Menschen wie möglich die Art von Leben führen können, die sie als gut und
richtig emp&nden.
14.
15. Hackathons
Hackathons $ Trend
Mittlerweile vergeht auch in Deutschland
kaum ein Wochenende, an dem nicht
gehackt wird. Gemüse? Nicht doch.
Konzepter und Ideenentwickler treffen
sich mit Programmierern, trinken tage-lang
Energydrinks und bauen aus einer
Idee einen Software-Prototyp. So kön-nen
auch Ideen getestet werden, die in
Alltagsroutinen kaum eine Chance auf
Anerkennung haben. Und für Organisatio-nen
der Zivilgesellschaft sind Hackathons
eine gute Gelegenheit, sonst so knappe
Entwickler-Ressourcen zu nutzen. Die pro-duktiven
Programmier-Partys vereinen
Spaß an der Freude mit dem Drang, etwas
Sinnvolles zu schaffen.
Ab Mitte der 2000er wurden Hackathons, auch Hackfeste oder Hackdays ge-nannt,
sehr populär. Agenturen, Softwarehersteller und große Firmen nutzen das
Format seitdem immer häufiger, um in kurzer Zeit Ideen in Codes zu verewigen.
„Hack“ steht dabei für die schnelle und spielerische Art, kleine Programme zu
schreiben. „Marathon“ spielt auf das Durchhaltevermögen an, das bei Hacka-thons
nötig ist: Sie dauern meist zwei oder mehr Tage, geschlafen wird fast nicht.
Oft sind Grafiker, Interface-Designer, Konzepter, Geschäftsleute, Datenspezialis-ten,
Künstler oder Aktivisten anwesend und helfen, während des Workshops eine
funktionsfähige digitale Innovation zu entwickeln"– den Prototyp einer Website,
einer App oder andere Software.
1
13
16. Hackathons eignen sich gut, Ideen innerhalb kurzer Zeit in konkrete Produkte zu
überführen. Das Format hat bereits viele" Innovationen hervorgebracht und ist
deshalb auch für Investoren interessant. Am Prototyp können sie schon ansatz-weise
erkennen, ob das Produkt funktioniert. Auch sehen sie, wie Programmierer,
Ideengeber und Teams arbeiten, und können Talente identifizieren.
Forschung und Ideenentwicklung zum Schnäppchenpreis
ür Unternehmen sind Hackathons ein kostengünstiges Innova-tionsformat.
Google oder Facebook veranstalten beispielsweise
regelmäßig interne Hackathons, um neue Produkte zu entwi-ckeln
und bestehende zu optimieren. Sowohl der Like-Button als
auch die Timeline auf Facebook sind bei Hackathons entstanden.
Immer mehr Unternehmen sponsern auch externe, offene Hackathons"– um ihr
Image des attraktiven Arbeitgebers zu pflegen.
Hackathons variieren in Format und Ausrichtung: Manche haben thematische
Schwerpunkte oder konzentrieren sich auf eine Programmiersprache wie Dru-pal,
Java Script oder Ruby on Rails. Einige haben nur ein Dutzend Teilnehmer,
andere sind große Veranstaltungen mit über 500 Menschen. Es gibt auch dezen-trale,
über mehrere Städte verteilte Hackathons (etwa den Global Foursquare
Hackathon). Und seit die australische Regierung 2012 beschlossen hat, Daten
auf Vorrat zu speichern, feiern immer mehr Menschen Cryptopartys, um sich
Verschlüsselungstechniken beizubringen.
Hacken für soziale Innovationen
eit Ende der 2000er gibt es Hackathons auch im sozialen Sektor.
Aktivisten, Vertreter von NGOs oder öffentliche Einrichtungen
fungieren dabei als Ideengeber. Sie präsentieren Herausforderun-gen
ihrer Arbeit und konzipieren gemeinsam mit Programmierern
und anderen Experten technische Lösungen. Die Themenvielfalt
reicht von Katastrophenhilfe (etwa CrisisCommons) über Wasserverschmutzung
und Kinderhandel bis zu transparenter Regierungsführung. Manche Hackathons
sprechen eine spezifische demografische Zielgruppe wie Jugendliche oder Frauen
an (etwa"Geekettes Berlin). Es werden auch Tools für das Management von eh-renamtlichen
Mitarbeitern und Spenden-Apps gebaut. Ein kontroverses Beispiel
ist die Ablass-App, die auf einem betterplace-Hackathon entstanden ist. Mit der
Ablass-App kann man sein Gewissen erleichtern, wenn man gesündigt hat. In der
Alltagsroutine von betterplace hätte diese Idee keine Chance auf Realisierung
gehabt.
Einen Hackathon zu veranstalten, ist ganz einfach
ackathons zeichnen sich durch ihren kollaborativen Charakter
aus; meist arbeiten interdisziplinäre Teams gemeinsam an einem
Thema. Die Veranstaltungskultur ist informell und ergebnisori-entiert.
Viele Teilnehmer arbeiten die Nacht durch oder schlafen
nur kurz vor Ort auf oder unter den Schreibtischen.
Der Ablauf folgt einem relativ standardisierten Schema:
1. Zu Beginn stellen die Organisatoren das Thema und die He-rausforderungen
vor.
F
S
H
Hackathons $ Trend
1
14
17. Hackathons $ Trend
2. Dann diskutieren die Teilnehmer Ideen und Lösungsansätze,
an denen sie arbeiten wollen.
3. Nach dieser Pitch-Phase formieren sich Teams aus Ideengebern,
Konzeptern, Programmierern und eventuell anderen Experten.
4. Nun startet die eigentliche Arbeit: Die Ursprungsidee wird
verfeinert, ein Konzept erstellt, eine User-Journey geschrie-ben
"– wie verhält sich ein potenzieller Nutzer"– und eventu-ell
ein clickbarer Prototyp gebaut. Dieser kann mit anderen
Teilnehmern oder auf der Straße mit fremden Leuten getestet
werden. Zugleich können Grafiker visuelle Elemente wie Logos
und Moods entwerfen und Entwickler anfangen, zu program-mieren.
Für diese Schritte stehen viele Kreativtechniken zur
Verfügung (Design Thinking, Service Design etc.).
5. Am letzten Tag des Hackathons werden die fertigen Tools und
Prototypen präsentiert, zum Beispiel informell vor den anderen
Teilnehmern oder vor einer Experten-Jury. Viele Hackathons
vergeben Gewinne und Preisgelder für die besten Ergebnisse.
Mit der auf einem Hackathon entstande-nen
Ablass-App kann man sein Gewissen
erleichtern, wenn man gesündigt hat.
Die produktive Partystimmung ist die beste Motivation
ackathons sind Teil der informellen und kollaborativen Open-
Source-Kultur der Programmierer und ziehen eine bunte Mi-schung
von Teilnehmern an. Diese wollen netzwerken, Gleich-gesinnte
kennenlernen und ihre technischen oder kreativen
Fähigkeiten austesten und verbessern. Manche wollen einfach
H
ihre Wochenenden auf produktive Weise verbringen, andere aber sehr kon-kret
technologische Lösungen für die Probleme ihrer Organisation konzipie-ren
und bauen.
Da die wichtigste Ressource von Hackathons die Eigenmotivation der Teilnehmer
ist, können sie potenziell sehr kostengünstig durchgeführt werden. Jeder, der einen
passenden Raum, einen stabilen Internetzugang und etwas Essen und Trinken
bereitstellen kann, kann einen Hackathon ins Leben rufen. Über Veranstaltungs-plattformen
wie MeetUp oder Eventbrite können Teilnehmer online rekrutiert und
koordiniert werden. Hackathons sind für Teilnehmer entweder kostenfrei oder es
wird eine geringe Pauschale für Verpflegung etc. erhoben.
Intel, Microsoft oder Edelman sponsern zahlreiche Hackathons. Die Kosten variieren
dabei (ohne Preisgelder) zwischen 5.000 und 30.000 Euro. Unternehmen nutzen
Hackathons auch, um in den Pausen eigene Produkte vorzustellen, die Entwickler
im Idealfall in ihr Hacking einbeziehen. Damit kann die ursprünglich meist kom-merzielle
Produktpalette um eine soziale Dimension erweitert werden. Firmen kön-nen
mit Hackathons auch Mitarbeitern ein attraktives Format für die Entwicklung
ihrer Ideen bieten. Auch bei firmengesponserten Hackathons verbleiben die Rechte
grundsätzlich bei den einzelnen Teams und gehen nur in wenigen Ausnahmefällen
an die Unternehmen über.
1
15
18. Aus verschiedenen Welten: Wenn NGOs auf Programmierer
treffen
ach einer ersten Phase informeller Hackathons sind sowohl in
der For-Profit-Welt (etwa Angelhack)"als auch im Non-Profit-Be-reich
Organisationen entstanden, die Hackathons professionell
ausrichten. Social Coding for Good ist ein Zusammenschluss
einiger Tech-NGOs und Medienprojekte, zu denen auch Usha-hidi,
N
die Wikimedia Stiftung und das Guardian Project gehören. Letzteres hat
Hackathons $ Trend
1
bei Hackathons Apps wie Orbot oder Obscuracam entwickelt. Orbot weitet
die Anonymisierungsfunktionen von Tor auf Mobiltelefone aus, während es
Obscuracam Bürgerjournalisten in repressiven Staaten ermöglicht, ihre Han-dyaufnahmen
mit zusätzlichen Informationen zu versehen oder die Gesichter
von gefährdeten Informanten zu verpixeln. SecondMuse ist mit Random Hacks
of Kindness und den National Days of Civic Hacking ein anderer Anbieter von
Hackathons weltweit.
Auch die amerikanische NGO Datakind veranstaltet Hackathons mit philan-thropischen
Partnern. Bei einer Veranstaltung gemeinsam mit der Organisati-on
DC Action for Kids, die sich um das Wohl von Kindern in Washington D.C.
kümmert, trafen Mitarbeiter der NGO mit Entwicklern, Datenexperten und
Grafikern aufeinander. Gemeinsam entwickelten sie Tools, mit denen sie ver-schiedene,
bislang in PDFs verschlossene Daten analysieren und visualisieren
können, um ein besseres Verständnis für die Hebel ihrer Arbeit zu entwickeln.
Das Hackathon-Wochenende bildete allerdings nur den Startschuss für eine
weiterreichende Zusammenarbeit zwischen Datakind und DC Action, in deren
Verlauf interaktive Karten der Stadt entstanden, mit deren Hilfe Aktivisten neue
Zusammenhänge herstellen konnten.
Sowohl der Like-Button als auch die
Timeline von Facebook sind bei Hackathons
entstanden.
Google sponserte 2013 einen der ersten Hackathons der Euro-päischen
Union
eit 2009 bringt Code for America die Entwickler-Community mit
staatlichen Institutionen in den USA zusammen"– in Form von
Stipendien für Programmierer, die für die öffentliche Verwaltung
arbeiten können, oder auf Veranstaltungen wie Hack for Change.
Programmierer konzipieren dann gemeinsam mit Vertretern von
S
Kommunen und Stadtverwaltungen Anwendungen, mit denen politische Prozes-se
und öffentliche Dienstleistungen transparenter, partizipativer und effizienter
werden. So ermöglicht Open 331 die nationale Koordination von Bürgeranliegen,
während „Wo ist mein Schulbus?“ Kindern und Eltern in Boston ermöglicht, zu
sehen, wo der Schulbus gerade fährt.
Die Sunlight Foundation entwickelt auf Hackathons politische Transparenz-
Apps. Der Trend der Open-Government-Werkzeuge ist jedoch nicht auf die USA
beschränkt. So veranstaltete die EU 2013 ihren ersten Hackathon in Brüssel,
16
19. gesponsert von Google und Skype, auf dem 54 Programmierer aus 19 Ländern
Transparenztools bauten. Soziale Hackathons boomen überall dort, wo eine star-ke
IT-Community auf sozial engagierte Organisationen trifft, von Indien über
Kenia bis Südamerika.
Chancen • Mit Hackathons kann man schnell und kostengünstig Ideen
entwickeln, testen, anpassen und verwerfen oder weiterentwi-ckeln
(à la Lean Start-up).
• Der Ergebnisfokus umgeht die „Da müsste man mal was gegen
machen“-Falle und endloses Palavern.
• Das unterhaltsame Format gleicht oft einer hochproduktiven
Party und taugt zum Netzwerken.
• Menschen mit verschiedenen Fähigkeiten arbeiten zusammen
und lernen interdisziplinär.
• Unternehmen können eigene Produkte vorstellen, Talente ken-nenlernen,
Ideen aufgreifen und ihr Image als fortschrittlicher,
engagierter Arbeitgeber pflegen.
• Es besteht Online-Buzz-Potenzial, da Teilnehmer während des
Hackathons twittern.
Risiken • Die Erwartungshaltung, dass ein fertiges Produkt dabei her-auskommt:
Während eines Wochenendes können die meisten
Ideen nur als Konzepte, Clickdummys oder rudimentäre Pro-grammierungen
umgesetzt werden.
• Zu viele Ideen bleiben als „abandonware“ im Netz liegen, oft
wird der Code nur noch auf Github archiviert.
• Die Tendenz, besonders im kommerziellen Bereich große Prei-se
für die Gewinnerprojekte auszurufen, führt Kritikern zu-folge
zu einem Konkurrenzgeist und dem Verlust des Gemein-schaftsgefühls.
• Hackathons haben mitunter eine hohe „No-Show-Rate“: Ame-rikanische
Anbieter sprechen von 40 Prozent angemeldeter
Interessenten, die nicht erscheinen.
Fazit Wer mit Ideen für digitale Produkte Spaß haben möchte, dem
sei ein Hackathon empfohlen. Schon in kleinem Rahmen und
mit wenig Geld lässt sich so ein Wochenende organisieren. Da
Menschen aus verschiedenen Disziplinen gemeinsam an Lösun-gen
arbeiten, ist zumindest Inspiration garantiert. Manchmal
kommt auch tatsächlich ein Produkt dabei heraus, das es zur
Marktreife schafft. Aber viel wichtiger ist, dass Hackathons Ideen
aus den Köpfen der Menschen befreien und diese Ideen greifbar
machen. Während des Herumwerkelns können die Hacker viel
praktischer entscheiden, was funktioniert und was wie verbes-sert
werden muss. So sind Hackathons eine Spielwiese, auf der
mitunter die erstaunlichsten Gewächse sprießen.
Hackathons $ Trend
1
17
20. National Day of Civic
Hacking
www.hackforchange.org
Der National Day of Civic Hacking ist ein Tag, an
dem in den USA Bürger, Softwareentwickler und
Unternehmer zusammenkommen, um neue tech-nische
Lösungen für Probleme in Nachbarschaft,
Hackathons $ Cases
1
Stadt oder Land zu finden. In jeder Stadt sieht die Veranstal-tung
ein bisschen anders aus"– es kann ein Hackathon, aber
auch eine Konferenz oder eine Party sein. 2014 wurde nicht
nur in jedem Staat Amerikas gehackt, der National Day of
Civic Hacking expandierte auch: 132 Events in 103 Städten
und dreizehn Ländern waren nach Angaben der Veranstalter
„die größte Zusammenarbeit in der Geschichte“. Dabei ist zum
Beispiel die App Enabled City entstanden, eine Karte der Stadt
Palo Alto für Menschen mit Gehbehinderungen, die zeigt, wo
es Rollstuhlfahrerrampen oder Aufzüge gibt.
18
21. Random Hacks of
Kindness
www.rhok.org
Hackathons $ Cases
Random Hacks of Kindness ist eine Initiative, die
mit Open-Source-Technologien die Welt verbes-sern
will. Menschen aus aller Welt können auf
der Website Problemstellungen in Kategorien wie
Landwirtschaft, Transparenz oder Menschenrechte einreichen.
Anschließend tun sich Hacker, Kreative und Programmierer
on- und offline zusammen und entwickeln eine Software oder
App, die diese Probleme lösen soll." Auf solchen „Hackathons“
entstehen zum Beispiel Tools zur Wahlbeobachtung in Kenia
oder eine App wie Ad Hawk, die die Sponsoren politischer
Werbespots in den USA aufdeckt. Mit mehr als 6.000 Mitglie-dern,
rund 100 aktuellen Softwarelösungen (Stand: März 2013)
und Projektpartnern wie Google, der NASA und der Weltbank
sind die Random Hacks of Kindness eine Initiative mit großer
öffentlicher Reichweite.
1
19
22. MEST-Unicef
Hackathons
www.meltwater.org/event/mest-unicef-hackathon
Die Meltwater Entrepreneurial School of Tech-nology
(MEST) in Accra ist eine Mischung aus
Tech-Schule und Inkubator"– und damit der pas-sende
Partner für Unicef, um einen digital-sozi-alen
Hackathon in Ghana zu veranstalten. Ruf und Netzwerk
Hackathons $ Cases
1
von MEST trugen dazu bei, dass Anfang 2014 mehr als 100
Programmierer und Entrepreneurs zum dreitägigen Hacka-thon
zusammenkamen. Am Anfang haben Unicef-Mitarbeiter
verschiedene Probleme schwer erreichbarer Zielgruppen prä-sentiert.
Dann haben die Teilnehmer Fünfer-Teams gebildet,
um an einem der Probleme zu arbeiten und einen funktionie-renden
Prototyp zu bauen. Eine Jury hat schließlich „Sanity
in Sanitation“ als Gewinner gekürt. Das Projekt, das Daten zu
Sanitärausstattung und -bedürfnissen im ländlichen Norden
Ghanas per Handy sammeln und analysieren will, bekam ein
Preisgeld in Höhe 1.100 Euro.
20
23. Hackathons $ Interview
„Dieses Gefühl,
gemeinsam etwas
geschaffen zu haben!“
Uwe Kylau, Senior Entwickler bei SAP, über grü-ne
Wiesen, Innovationsbeschleuniger und warum
Hackathons gekommen sind, um zu bleiben.
Uwe, Hackathons sind im Trend. Besonders in der Zivilgesellschaft program-mieren
Leute mittlerweile fast jedes Wochenende kleine Programme und Apps.
Sogar die Bundesregierung spielt mit dem Gedanken, einen Hackathon zu ver-anstalten.
Warum nur?
Weil Hackathons eine sehr gute Plattform sind, auf der sich
Menschen mit verschiedener Expertise nicht nur austauschen,
sondern auch ausprobieren können. An sich ist es ja nichts Neu-es,
dass man Menschen aus unterschiedlichen Fachbereichen
zusammenbringt, um Innovationen zu fördern. Das Besondere
an den Hackathons ist nun der Software-Aspekt: Es geht immer
darum, etwas zu programmieren. Und am Ende haben meistens
alle etwas davon: Sei es ein Prototyp einer App, neue Kontakte
oder einfach nur eine spaßige und produktive Zeit.
Die Bundesregierung will also auch mal Spaß haben?!
Nein, Hackathons sind vor allem Innovationstreiber. Gerade in
staatlichen Institutionen haben die Mitarbeiter kaum Freihei-ten,
um Ideen auszuprobieren. Und sie haben auch selten die
notwendigen Kompetenzen zur Hand, also etwa Programmierer.
Hackathons gleichen einer grünen Wiese, auf der die Menschen
sich völlig ungezwungen austoben und einfach mal machen kön-nen.
Hackathons leben von dieser Do-it-yourself-Stimmung.
Du hast mit Teilnehmern gesprochen: Was motiviert die Leute, was die Program-mierer,
was die Ideengeber?
Es gibt viele Gründe, warum Leute zu Hackathons gehen: Ei-gentlich
jeder erfreut sich einfach an der schönen Zeit, die man
zusammen verbringt. Und an den Kontakten, die man knüpft.
Programmierer nutzen die Gelegenheit gern, um sich potenziel-len
Arbeitgebern zu präsentieren, um zu zeigen, was sie können.
Manche Studenten ziehen auch von einem Hackathon zum nächs-ten
und bessern sich ihr Einkommen mit den Preisgeldern auf.
Unternehmen können Ideen testen und ausloten. Man sagt ja,
dass von zehn Ideen nur eine wirtschaftlich etwas taugt. Und von
zehn, die etwas taugen, kommt eine als neues Produkt auf den
Markt. Hackathons wirken hier als Beschleuniger. Da werden
Ideen unverbindlich produziert. Auch Start-up-Gründer nehmen
1
21
24. an Hackathons teil, um das Business-Modell zu testen und ein
Team zu rekrutieren. Das klappt in ca. 25 Prozent der Fälle.
Wie steht es um den Werdegang der Prototypen: Werden die meisten tatsächlich
weiterentwickelt und genutzt oder stauben sie ein, weil sich im Alltag dann nie-mand
mehr drum kümmern will oder kann?
Das kommt auf das Ziel des Hackathons an: Geht es eher dar-um,
Personal zu rekrutieren, Programmierern eine neue Tech-nologie
schmackhaft zu machen, oder einfach um ein inspirie-rendes
Wochenende? Wenn das Ziel nicht explizit der Prototyp
einer Anwendung ist, landet der Code tatsächlich meistens auf
der Halde. Aber viel wichtiger kann sein, dass nun die richtigen
Leute weiterhin zusammenarbeiten.
Du hast bereits mehrere Hackathons organisiert: Welche Tipps würdest du Nach-ahmern
geben?
Zunächst muss man sich klarmachen, was genau man mit dem
Hackathon erreichen will, und das muss man auch deutlich kom-munizieren
"– Stichwort Erwartungs-Management. Gut ist auch
ein Aufhänger, ein gemeinsames Thema oder gesellschaftliches
Ziel, das zusammenschweißt, das die Leute gemeinsam lösen
wollen. Dann muss die Mischung der Teilnehmer stimmen. Ne-ben
den Ideengebern, Unternehmern, Programmierern und De-signern
kann man zum Beispiel auch einen Redner einladen, der
die Leute motiviert. Auch wichtig: ein cooler Veranstaltungsort
sowie gutes Essen und Trinken. Und Möglichkeiten zum Ab-reagieren,
ein Kickertisch etwa oder Meditationsräume. Preise
kann man auch vergeben, ob nun Geld oder Sachpreise oder
Treffen mit prominenten und wichtigen Leuten aus der Szene.
Das Wichtigste ist jedoch das, was daraus resultiert: eine Wohl-fühlumgebung,
damit der richtige Spirit entstehen kann. Die
Leute müssen Spaß haben und gemeinsam an einem Strang
ziehen wollen. Das führt dann am Ende zu einer tiefen Zufrie-denheit
bei den Teilnehmern, dieses Gefühl, gemeinsam etwas
geschaffen zu haben.
Wie schafft man es, die Leute aus den unterschiedlichen Bereichen, also Program-mierer,
NGO-Leute und Konzepter, zusammenzubringen? Geht das auch ohne ein
gutes Netzwerk, gibt es da eine Online-Plattform oder Ähnliches?
Ein gutes Netzwerk hilft da natürlich. Aber gerade bei Innova-tionen
empfehle ich den Blick über den Tellerrand. Man sollte
auch mal ungewöhnliche Partnerschaften eingehen, etwa wenn
NGOs gemeinsam mit Unternehmen hacken. Mittlerweile gibt es
auch Start-ups, die Hackathons organisieren bzw. Software da-für
anbieten. Denn das ist nicht mal eben in zwei Wochen getan.
Glaubst du, dass Hackathons nur ein Hype sind, oder wird sich das Format eta-blieren.
"
So wie Software nicht mehr wegzudenken ist, so werden auch
Hackathons bleiben. Vielleicht ist es ein Hype, wenn Firmen wie
salesforce eine Million US-Dollar Preisgeld bei einem Hackathon
Hackathons $ Interview
1
22
25. Hackathons $ Interview
vergeben. Viele Leute aus der Programmierer-Gemeinschaft kri-tisieren
in diesem Falle auch, dass das viele Geld den Spirit
zerstöre. Aber Menschen aus verschiedenen Bereichen für eine
spaßige und trotzdem produktive Zeit zusammenzubringen, um
Probleme zu lösen"– warum sollte man damit aufhören?
Kasten Vita
Uwe Kylau studierte am Hasso Plattner
Institut in Potsdam im Masterstudien-gang
Software-Entwicklung. 2007 zog
er nach Brisbane, Australien, wo er sei-ne
Karriere in der Forschungsabteilung
von SAP begann. 2012 kehrte er zum
Hauptsitz von SAP nach Walldorf zu-rück,
um für die SAP-Entwickler-Com-munity
zu arbeiten. Heute beschäftigt
er sich vor allem mit der Entwickler-Kultur bei SAP. Er organi-sierte
zahlreiche SAP InnoJam Hackathons und nahm als tech-nischer
Experte bei einigen Nicht-SAP-Hackathons teil.
Weiterführende Links:
• Hackathon-Management-Plattform: hackerleague.org
• Hackathon-Management-Plattform mit guter Liste der wich-tigsten
Hackathons: hackathon.io
• Hackathon-Dienstleister/ -Organisatoren: angelhack.com
• Hackathon-Organisator, Fokus auf Start-up-Bildung: startup-weekend.
com
• Random Hacks of Kindness, möchte „die Welt verbessern mit
praktischen Open-Soure-Lösungen“: rhok.org
• Berliner Start-up, das Hackathons speziell für Frauen organi-siert:
geekettes.io
• Plattform, die Hacking-Herausforderungen listet, um gute Pro-grammierer
für offene Stellen zu finden: hackerrank.com
• Plattform, die IT-, Design- und wissenschaftliche Herausforde-rungen
crowd-sourced bzw. out-sourced: topcoder.com
• Die US-Regierung crowd-sourced Innovationen: challenge.gov
• Die Regierung von Singapur fördert Innovationen durch Ha-ckathons:
upsingapore.com
• Bei diesem Beispiel aus der Weltraumforschung haben extrem
viele Menschen mitgemacht: spaceappschallenge.org
• Große Hackathons sind hier zu finden: mhacks.org, pennapps.com,
techcrunch.com/events, hackathon.launch.co
• Europas größter Studenten-Hackathon: studenthack.com
1
23
26.
27. Offline
Ein Mythos des Internetzeitalters besagt:
Wenn ein neuer Onlineservice gut und
cool ist, dann kommen die Menschen
in Scharen und nutzen ihn. Einfach so.
Ohne dass ein Marketing-Budget nötig ist?
Schön wär’s. Selbst wenn einige Websites
oder Apps allein wegen ihrer neuen Ideen
und Konzepte Aufmerksamkeit erregen,
bedarf es kontinuierlicher Anstrengun-gen,
um die Menschen bei der Stange
zu halten. Eine Folge des Irrglaubens an
geniale, von selbst wachsende Internetin-novationen
ist es, dass viele Gründer die
harte Arbeit unterschätzen, die notwendig
ist, um Nutzer zu aktivieren. Zugleich ver-nachlässigen
sie das wahre, das analoge
Leben, in dem ihr Service funktionieren
soll. Dieses Leben ist offline.
Wenn es könnte, würde das Internet überquellen vor Websites und Diensten,
die alle möglichen Bedürfnisse befriedigen wollen. Würde man jedoch die
digitalen Leichen aussortieren, bliebe nur noch ein Bodensatz über. Auch im
sozialen Sektor finden viele digitale Innovationen keine oder nur wenige Nutzer.
Dennsdie meisten erfolgreichen Onlineservices haben eine starke, aber in der öf-fentlichen
Wahrnehmung oft ausgeblendete Offline-Komponente. Beispielsweise
ist das beste Rezept für ein erfolgreiches Kickstarter-Projekt ein Artikel in der
„New York Times“ oder einer anderen großen Zeitung. Und die Revolution in Tu-nesien
erreichte erst eine kritische Masse, nachdem Al Jazeera die Nachrichten
von regimekritischen Bloggern klassisch über die Fernseher in die Wohnzimmer
von Tunis und Kasserine brachte.
O'ine $ Trend
2
25
28. Jenseits der Polarität zwischen Cyberutopisten und Technoskeptikern nähern
wir uns einem nuancierteren Verständnis der Möglichkeiten von Online- und
Offlinekanälen. Deshalb ist einer der wichtigsten Trends im digital-sozialen Um-feld,
„das Analoge“ oder offline, wie wir es nennen.
Offline sein, um die Menschen online zu erreichen
ffline spielt schon deshalb eine wichtig Rolle, weil reine Online-
Produkte und -Projekte Bevölkerungsgruppen ausschließen, die
keinen Internetzugang haben bzw. nicht internetkompetent sind.
Wenn Regierungen oder zivilgesellschaftliche Organisationen
Informationen online präsentieren, erschließen sich diese An-gebote
O
verschiedenen Bevölkerungsgruppen sehr unterschiedlich. Internetaffine
Nutzer finden sich besser zurecht, während Internetferne zunehmend abgehängt
werden. Um dem Anspruch, offen und inklusiv zu sein, gerecht zu werden, müs-sen
politische und soziale Initiativen folglich auch offline aktiv sein. Dabei geht
es nur vordergründig um Zugang zur technischen Infrastruktur. Mindestens
ebenso wichtig ist es, dass benachteiligte Bevölkerungsgruppen, darunter arme
und alte Menschen, lernen, wie und wozu sie das Internet nutzen können. Dass
zum Beispiel staatliche Angebote für e-Partizipation"nicht so leicht zugänglich
sind wie gedacht, belegt "die Studie von Miller und Horst zur Internetnutzung
in Ghana, die ergab, dass für Slumbewohner das Internet nur aus Chat und ei-ner
Handvoll von Websites besteht, während andere Angebote unbekannt waren.
Viele Online-Plattformen sind erfolgreich,
weil die Macher ihre Kontakte in Offline-
Netzwerken pflegen.
Aus diesem Grund sind Initiativen wie Digital by Default der britischen Regierung
oder Outreach-Projekte wie e-democracy so wichtig. Sie verbinden die"Zielgrup-pe
mit der Software:"Die Mitarbeiter von e-democracy klopfen an den Haustü-ren
amerikanischer US-Städte, um möglichst viele Bewohner eines Stadtviertels
in lokale Mailinglisten aufzunehmen und ihnen zu zeigen, wie sie mithilfe von
Internet-Nachbarschaftsforen ihr Viertel verbessern können."Leider gibt es in
Deutschland bislang keine vergleichbaren überregionalen Bemühungen. Einer Ini-tiative
wie D21 geht es hauptsächlich um infrastrukturelle Themen wie Breitband-
Zugang, nicht um das gesellschaftliche Problem der digitalen Alphabetisierung.
Offline lassen sich Bedürfnisse und Gewohnheiten der Ziel-gruppe
besser erforschen
ür Internetdienstleistungen ist es essenziell, dass sie die genauen
Lebensgewohnheiten, Verhaltensweisen und Bedürfnisse ihrer
Zielgruppen kennen. Nicht nur zu viele Entwicklungshilfepro-jekte,
sondern auch Engagementplattformen, Anti-Korruptions-
Apps und NGO-Websites werden in Londoner, Brüsseler oder
F
Berliner Büros von gutwilligen Menschen konzipiert, die kein tieferes Verständ-nis
für den lokalen Kontext und die realen Bedürfnisse der anvisierten Nutzer
O'ine $ Trend
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26
29. haben. Diese erschließen sich oft erst durch Offline-Recherchen in Form von teil-nehmender
Beobachtung und Interviews. Als die britische Firma Participle das
Programm The Life plante, welches sich an chronisch problembehaftete Familien
und deren Sozialarbeiter richtet, folgte sie einer Reihe von Familien durch ihren
Lebensalltag. Dabei stellte sich heraus, dass Familien mit multiplen Problemen
(Arbeitslosigkeit, Drogenmissbrauch, Schulversagen etc.) im Durchschnitt mit 23
verschiedenen Regierungsbehörden zu tun haben. Auf diese Erkenntnis aufbau-end,
konzentriert sich das neue Betreuungsprogramm darauf, diese Kommuni-kationsvielfalt
zu reduzieren.
Strippen ziehen mit echten Menschen
er Erfolg vieler Online-Plattformen hängt damit zusammen, dass
die Macher es verstehen, gute Kontakte zu Offline-Netzwerken
zu unterhalten und diese als Multiplikatoren und Treiber für
ihre Arbeit einzusetzen. Artas Bartas, Gründer der Anti-Korrup-tions-
Plattform Bribespot, empfiehlt Plattformbetreibern: „Stop
D
marketing to end-users and instead focus on actors who are most influential in
driving the adoption of your social solution.“ Multiplikatoren können Journa-listen,
Community-Aktivisten, NGOs, politische Eliten oder Unternehmen sein,
die aus eigenem Anreiz mitwirken, da ihnen die Online-Dienstleistung hilft, die
eigenen Ziele zu erreichen.
Ein Projekt aus dem betterplace-Umfeld illustriert das: Um Jugendliche für soziales
Engagement zu mobilisieren, baute Telefonica zwar die Online-Plattform Think Big,
auf der sich Jugendliche sehr einfach für 400 Euro Förderung bewerben können.
Aber der eigentliche Treiber des Programms, das mittlerweile 1.800 Projekte geför-dert
und 37.000"Jugendliche erreicht hat, ist die Kooperation mit einem Netzwerk
deutscher Jugendorganisationen. Dieses Offline-Netzwerk hat zumindest ein finan-zielles
Interesse am Erfolg von Think Big, da die einzelnen Organisationen für das
Coaching der Jugendprojekte jeweils 600 Euro erhalten."Ohne diese Kontakte, die
zum großen Teil auf persönlichen Beziehungen, Besuchen und Telefonaten basie-ren,
hätte die Online-Plattform keine große Reichweite erfahren.
Bei betterplace.org selbst gingen wir bei der Gründung naiv davon aus, dass zahl-reiche
deutsche Spender unsere Seite mit den vielen Grassrootsprojekten und
der transparenten Berichterstattung einfach zu schätzen wüssten und allein des-halb
über betterplace soziale Projekte fördern würden. Doch schnell merkten
wir, dass die Plattform viel schneller wächst, wenn wir starke Multiplikatoren
wie Payback"– in Form der Payback Spendenwelt"– oder Vodafone"– in Form von
betterplace mobile"– einbinden. Auch sind alle wichtigen Kontakte zu better-place-
Unterstützern und Partnerunternehmen offline zustande gekommen, also
über persönliche Treffen.
Bauchgefühl und Energie
ffline-Veranstaltungen, bei denen Menschen miteinander in per-sönlichen
Kontakt kommen, sind ebenfalls gut geeignet, um vir-tuellen
Dienstleistungen oder Produkten ein Gesicht zu geben.
Digitale Tools erscheinen oft zu technisch, als dass sie in der
Lage wären, Vertrauen zu etablieren. Persönliche Kontakte da-gegen
O
erzeugen bei uns positive oder negative Bauchgefühle und machen es ein-facher
herauszufinden, ob wir ein Produkt sympathisch, relevant oder spannend
O'ine $ Trend
2
27
30. finden. Bei Veranstaltungen, auf denen Menschen mit einer ähnlichen Zielsetzung
und Wertvorstellung zusammenkommen, kann eine hohe Energie entstehen, die
wiederum eine gute Grundlage für Kooperationen und kreativen Austausch ist.
Das Sozialunternehmernetzwerk Ashoka machte beispielsweise die Erfahrung,
dass Offline-Treffen zwischen Ashoka Fellows ganz eigene Synergien erzeugen.
Viele soziale Aktivisten brennen für ihr eigenes Thema und sind sehr von ihrem
Alltag absorbiert. Meist fehlt die Zeit, um den Austausch mit anderen selbst zu
initiieren. Um gegenseitiges Lernen zu fördern und Kollaborationen anzustoßen,
organisiert Ashoka deshalb diesen Austausch, indem die Stiftung ihre Fellows zu
entsprechenden Treffen zusammenruft. Ashoka bezeichnet die Treffen begeistert
als „Feuerwerke“.
Auch hier können wir auf eigene Erfahrungen zurückgreifen. Zu Beginn verstan-den
wir uns bei betterplace als eine rein virtuelle Plattform. Dann bemerkten
wir das Bedürfnis der Zielgruppen, also Unterstützer der Plattform, Spender
und NGOs, uns persönlich kennenzulernen: Wer steckt hinter dieser Plattform?
Können wir denen trauen? Was ist deren Motivation? Solche Fragen konnten wir
online nur unbefriedigend beantworten. Seitdem haben wir begonnen, selbst
Veranstaltungen zu besuchen und betterplace vorzustellen. Wir laden auch regel-mäßig
Projektmacher zu uns ins Büro ein, veranstalten die jährliche Konferenz
labtogether und teilen unser Wissen in Workshops. Diese persönlichen Kontakte
führen dazu, dass Gleichgesinnte sich kennenlernen, die sich sonst nicht begegnet
wären, da die traditionelle Online-Architektur von Diskussionsforen und Blogs
dafür nicht geeignet ist.
Auf den Schreibtisch der Entscheider
gelangt man mit einem Hingucker zum
Anfassen viel eher als mit einem Link in
einer E-Mail.
Reputation zum Anfassen
nline-Angebote werden oft auch in analoger Form angeboten. So"
sind die PDF-Plakate zum Ausdrucken, die wir bei betterplace
für Projektverantwortliche anbieten, beliebte Werbeträger, die
dann an Bäumen und Ladentheken hängen. Interessierte rei-ßen
sich den Streifen mit dem Link zum Projekt ab, um sich zu
O
Hause online Details genauer anzusehen. Auch der betterplace lab Trendreport
startete als reine Online-Plattform. Doch die jährlich erscheinende Druckversi-on
hat sich als besonders erfolgreiches Produkt erwiesen. Menschen mögen die
haptische Erfahrung, ein schönes Buch in den Händen zu halten. Und auf den
Schreibtisch einer Entscheiderin gelangt man mit dem Hingucker viel eher als
mit einem Link in einer E-Mail. Mit dem schicken Buch gelingt es uns, ganz an-dere
Netzwerke zu erschließen und an wichtigen Stellen Reputation aufzubauen.
Offline ist also eine gute Ergänzung zu Online. So geben immer mehr NGOs ihren
erfolgreichen Online-Aktionen auch ein Offline-Gesicht. Etwa als die englische
Fairtrade-Organisation beim March of the Mini Army Papierfiguren von jenen
8.000 Menschen aufmarschieren ließ, die eine entsprechende Online-Petition
O'ine $ Trend
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31. unterzeichnet hatten. In die entgegengesetzte Richtung funktionierte die Oxfam-
Aktion Remember Me: Auf Secondhand-Kleidung kann man QR-Codes scannen,
die mit der Geschichte des Vorbesitzers verlinkt sind.
Chancen • Offline lassen sich wichtige Beziehungen verbindlicher knüp-fen.
• Auf Veranstaltungen kann man seiner Online-Seite ein Ge-sicht
geben.
• Offline erreicht man auch Menschen, die Schwierigkeiten mit
dem Internet haben.
• Im persönlichen Gespräch lassen sich die Bedürfnisse der Ziel-gruppen
qualitativ hochwertiger erforschen.
Risiken • Offline-Aktivitäten sind relativ ressourcenintensiv (Zeit, Geld,
Wissen) und wenig skalierbar.
Fazit Vor lauter Online-Euphorie, darf nicht vergessen werden, dass
„das wahre Leben“ offline ist. Online-Kommunikation bleibt stets
unverbindlich und distanziert, gerade wenn es darum geht, Men-schen
dazu zu bewegen, sich zu engagieren oder zu spenden. On-line-
Netzwerke und soziale Medien sind zwar heute unverzicht-bar,
um Botschaften zu verbreiten. Doch zusätzlich zu diesem
quantitativen Aspekt der Vernetzung (z. B. 7.500 Facebook-Fans)
müssen Organisationen offline für eine qualitative Komponente
sorgen. Veranstaltungen, persönliche Gespräche oder haptische
Erlebnisse (Broschüren etc.) sind zwar weniger gut skalierbar,
bleiben den Menschen aber besser im Gedächtnis, weil sie direk-ter
erlebt werden und entsprechend verbindlichere Emotionen
verursachen.
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32. March of
the Mini Army
www.fairtradeblog.tumblr.com/post/44536365765/the-march-of-the-mini-army
8.000 Menschen haben in Großbritannien online
eine Petition unterzeichnet, um faire Preise für
kleine Landwirte zu fordern. Doch was bedeuten
8.000 Klicks? Wie groß ist eine Menge von 8.000
Menschen? Die Fairtrade Foundation visualisierte diese Zahl
eindrücklich, indem sie 8.000 Pappfiguren bastelte und diese
„Mini-Armee“ aufmarschieren ließ"– vor den Houses of Parlia-ment.
Das Beste: Auf den Pappfiguren waren die Gesichter der-jenigen
Leute, die die Online-Petition unterzeichnet hatten. Die
Unterzeichner hatten zuvor ein Foto von sich hochgeladen und
gaben ihren Klicks über die Pappfiguren ein Gesicht. Die Presse
war begeistert! March of the Mini Army ist ein gutes Beispiel
dafür, wie man aus dem Online-Silodenken ausbrechen kann,
um einer Kampagne offline neue Lebendigkeit, Authentizität
und Qualität zu verleihen.
O'ine $ Cases
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33. The Circle
www.circlecentral.com
Die Behörden im Londoner Bezirk Southwark wollten
für eine höhere Lebensqualität der älteren Einwoh-ner
sorgen, wussten aber nicht wie. Wer nicht fragt,
bleibt dumm, und so erfuhren die Beamten durch
persönliche Interviews von den Bedürfnissen, Ängsten und Wün-schen
der Senioren. Den meisten waren soziale Kontakte, geistige
Fitness und Hilfe bei Alltagsherausforderungen wichtig. Davon
ausgehend wurde 2009 das Offline-Netzwerk „The Circle“ gegrün-det.
Jeder Einwohner, der über 50 Jahre alt ist, kann bei seinem
Circle für einen Jahresbeitrag von etwa 40 Euro Mitglied werden.
Als neues"Mitglied teilt man dem Circle mit, welche Unterstützung
man braucht und auch, welche Hilfe man geben kann"– zum Bei-spiel
gemeinsam zum Einkaufen fahren oder den Garten umgraben.
Jeder Helfer kann entscheiden, ob er seine Arbeitskraft umsonst
oder bezahlt anbieten möchte. Eine Online-Plattform hilft dabei,
Angebot und Nachfrage zu managen.
O'ine $ Cases2
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34. PlaCard
misereor.de/projekte/mut-zu-taten.html
Schon mal eine Kreditkarte in ein Werbeplakat
gesteckt? Die PlaCards von Misereor fordern ihre
Betrachter genau dazu auf. Die großen Bildschir-me
mit integriertem Kreditkartenlesegerät locken
auf Bahnhöfen und Flughäfen mit den Slogans „feed them“ und
„free them“. Zieht man seine Kreditkarte durch, spielt der Bild-schirm
eine Filmsequenz ab, bei der die Karte wie ein Messer
Brot schneidet oder die Fesseln eines Gefangenen durchtrennt.
Der Spendenbetrag ist auf zwei Euro festgelegt. Auch interes-sant:
Nach der Spende kann Misereor den Kontakt zum Spender
halten. Die Organisation nutzt die Kreditkartenabrechnung, um
sich zu bedanken und per Link den Spender für ein langfristi-ges
Engagement zu gewinnen.
O'ine $ Cases
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37. Giving Days
2009 kamen beim Online- Fundraising-
Wettbewerb „Give to the Max“ in
Minnesota innerhalb von 24 Stunden 14
Millionen US-Dollar für über 3.000 lokale
NGOs zusammen. Seitdem verzeichnet die
USA einen regelrechten Boom sogenannter
Giving Days, die in einzelnen Städten,
Bundesstaaten oder"– wie der Giving Tues-day
"– im ganzen Land zelebriert werden.
Immer mehr gemeinnützige Organisati-onen
nutzen diese neuen, konzertierten
Fundraising-Aktionen.
Giving Days sind kompakte und kollaborative Online-Fundraising-Veranstaltun-gen,
bei denen hohe Summen für NGOs gesammelt werden. Im Gegensatz zu
vielen anderen Webbewerben, die NGOs, Stiftungen oder Unternehmen starten,
tun sich bei Giving Days meist mehrere Akteure zusammen. Zudem zeichnen
sie sich durch ihr zeitlich stark komprimiertes, oft auf 24 Stunden beschränk-tes
Format aus.
Viele Giving Days werden von regionalen Institutionen ins Leben gerufen, um
den Zusammenhalt der örtlichen NGOs zu stärken. So arbeiten beim Give to the
Max Day:Greater Washington, beim Give BIG und beim Giving Tuesday Unter-nehmen,
Stiftungen und die UN zusammen, um ihre Kräfte für den einen großen
Fundraising-Schlag zu sammeln.
Giving Days $ Trend
3
35
38. Mit einem großen Ruck die Spendenlawine lostreten
ie Ziele der Initiatoren sind divers: Vordergründig geht es dar-um,
neue Spenden für NGOs zu generieren. Zugleich schaffen
Giving Days aber auch einen sozialen Zusammenhalt, indem sie
ein Bewusstsein für regionale Herausforderungen wecken, das
Potenzial lokaler Solidarität nutzen und so die regionale Identität
stärken. Giving Days bündeln die sonst oft fragmentierten Aktivitäten einzelner
gemeinnütziger Organisationen auf einer neuen regionalen Ebene und versuchen,
Netzwerksynergien zu erzeugen. Da sie nicht auf einzelne wohlhabende Philan-thropen
abzielen, sondern möglichst viele „kleine“ Spender aktivieren wollen,
tragen sie auch zur Demokratisierung des sozialen Engagements bei.
Außerdem machen Giving Days die Arbeit zivilgesellschaftlicher Initiativen sicht-bar
und ermöglichen ihnen, ihre Beziehungen zu Spendern und Unterstützern
zu intensivieren.
Giving Days verstehen sich als Werkzeuge, um die Online-Fundraising- und Kom-munikations-
Fähigkeiten von NGOs zu stärken. Eine zentrale Online-Fundraising-
Plattform bildet das technologische Rückgrat aller Aktivitäten und macht NGOs
und Spender mit neuen digitalen Möglichkeiten des sozialen Engagements vertraut.
NGOs profitieren von der Reichweite der Medien und den
Sponsorengeldern der Unternehmenspartner
ie Organisatoren eines Giving Days kommen üblicherweise sechs
bis acht" Monate vor dem großen Tag zusammen und schmie-den
eine Allianz mit weiteren Partnern. Dazu zählen besonders
Sponsoren für Preisgelder sowie Medien und Werbeagenturen,
die beim Marketing helfen. Da Giving Days innerhalb weniger
Jahre in den USA so beliebt geworden sind, gibt es mittlerweile eine Reihe von
Leitfäden, die bei der Organisation eines Spendentags helfen. So stellt das Gi-ving
Day Playbook der Knight Foundation Materialien von Muster-E-Mails und
Facebook-Seiten bis hin zu Kalenderplanern zur Verfügung.
Die Aufgabe der Giving-Day-Initiatoren ist es, eine komplette Infrastruktur für
den Tag zur Verfügung zu stellen. Dazu gehören neben der Online-Fundraising-
Plattform auch Marketing-Dienstleistungen. Partner stellen Werbeflächen z.B.
in Form von großflächiger Plakatierung von Bussen, Radiodurchsagen oder TV-Spots
zur Verfügung. Print- und Online-Medien schalten Anzeigen und berichten
in den Wochen vor dem Spendentag über die Arbeit der teilnehmenden NGOs.
Das gebündelte und in der Region sichtbare Marketing bedeutet, dass die spen-densammelnden
NGOs sich nur noch um die möglichst effektive Ansprache und
Aktivierung ihrer Netzwerke kümmern müssen. Da viele NGOs bislang noch wenig
Erfahrung im Bereich Online-Fundraising und Social Media haben, bemühen sich
die Organisatoren, im Vorfeld entsprechende Kapazitäten aufzubauen. Sie stellen
Leitfäden oder Webinare bereit bzw. bieten Offline-Workshops mit Experten an.
Wer am besten Spenden sammelt, wird mit Prämien belohnt
m möglichst viele Spender zu aktivieren, haben sich Gamifizie-rungsstrategien
als nützlich erwiesen. Giving Days rufen Preise
in verschiedenen Kategorien aus. Dabei belohnen die meisten
nicht die Höhe der eingesammelten Spenden, sondern versuchen,
D
D
U
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39. Giving Days $ Trend
3
möglichst viele Menschen zum Engagement zu motivieren. Preise oder Matching-gelder
werden dementsprechend für die NGO mit den meisten Einzelspendern
ausgerufen. Peer2Peer-Fundraising wird belohnt, indem die NGO, deren Spen-der
selbst am meisten weitere Spender aktivieren kann, gewinnt. Andere Kate-gorien
zeichnen die Organisation mit den meisten neuen Twitterfollowern aus
oder etablieren einstündige Fundraising-Wettbewerbe am Vor- oder Nachmittag
des Giving Days.
Alle Aktivitäten werden transparent über Spendenplattformen wie Razoo abge-wickelt.
Organisationen und Spender können auf Leaderboards sehen, wo sie im
Wettbewerb gerade stehen und wie viele Spenden schon zusammengekommen
sind. Auf diese Weise können sie strategisch ihre Netzwerke aktivieren.
Giving Days erreichen dank der Massenmedien sehr viele
Menschen
iving Days haben sich zu einer regelrechten Bewegung entwickelt,
da sie es schaffen, viele Spenden für NGOs zu generieren. Wäh-rend
des Give To the Max Day Minnesota 2013 konnten über 17
Millionen US-Dollar Spenden von über 52.000 Spendern für fast
4.500 NGOs eingesammelt werden. The Big Give in Ohio brachte
G
den 569 teilnehmenden Organisationen über 10 Millionen US-Dollar Spenden,
während bei dem North Texas Giving Day 2013 über 25 Millionen US-Dollar von
75.000 Spendern für rund 1.300 lokale NGOs"zusammenkamen. Die Tendenz
ist steigend: Pittsburgh Gives brachte im ersten Jahr (2009) rund 1,5 Millionen
US-Dollar, 2013 waren es schon über sieben Millionen.
Giving Days erzeugen außerdem meist eine grosse Medienresonnanz: So wurde 2011
in mehr als 60 Artikeln über den Give To the Max: GreaterWashington berichtetet.
Der Hashtag dominierte auf twitter und sorgte für hohe Aktivitäten auf den betref-fenden
facebook-Seiten der Partner und sozialen Organisationen. Über diese Kanäle,
sowie per Mund zu Mundpropaganda konnten viele Spender angesprochen werden.
Promis wie Bill Gates sorgen für noch mehr Wumms
ie Evaluationen belegen, dass die überwältigende Anzahl der
teilnehmenden NGOs Giving Days als Erfolg bewerten. Die Spen-denergebnisse
gehörten oft zu den höchsten, die die NGOs je ver-zeichnet
hatten. Arbeitsaufwand und Ergebnis standen in einem
guten Verhältnis zueinander: Die meisten Teilnehmer gaben an,
D
unter 30 Stunden Zeit investiert zu haben. Dies war nur möglich, weil die ge-samte
Marketingleistung für den Giving Day zentral bei den Organisatoren lag.
Viele konnten neue Spender erreichen und gaben an, auch in Zukunft vermehrt
im Bereich Online-Fundraising aktiv werden zu wollen.
Während die oben genannten Beispiele regionale Veranstaltungen beschreiben,
ist der Giving Tuesday seit 2012 eine landesweite Kampagne in den USA. Nach
Thanksgiving und vor dem Beginn der Weihnachtssaison lenkt sie die Aufmerk-samkeit
der Konsumenten auf die eigentliche Bedeutung der Feiertage und ani-miert
sie im Namen der Nächstenliebe, an soziale Einrichtungen zu spenden.
Der erste Giving Tuesday wurde auch dank der Tweets von Bill Gates, Penélope
Cruz und Susan Sarandon zu einem großen Erfolg: 2.500 NGOs nahmen teil und
erhielten über zehn Millionen US-Dollar Online-Spenden. 2013 steigerte sich
das Spendenvolumen des Giving Tuesdays um 90 Prozent auf über 19 Millionen
37
40. US-Dollar. Die Höhe der einzelnen Spenden betrug im Durchschnitt 142 US-Dollar
(102 im Jahr davor, Details bei philanthropy.com).
Giving Days lohnen sich besonders für kleine und mittlere NGOs
iving Days sind besonders für kleine und mittelgroße NGOs
geeignet. Große Organisationen taten sich bei der Teilnahme
dagegen schwerer. Das lag zum Teil daran, dass ihre internen
Kommunikationsstrukturen für relativ kurzfristige und spon-tane
Wettbewerbe zu behäbig sind. Zugleich erschien der Ar-beitsaufwand
in Relation zu den zu erwarteten Gewinnen relativ groß und viele
Fundraiser gaben an, sie würden stattdessen lieber in etablierte Formate wie die
Fundraising-Dinner zum Jahresende investieren.
Während Social-Media-Experten wie Beth Kanter schon von einer Giving-Day-
Bewegung in den USA sprechen, ist das Format außerhalb der Vereinigten Staa-ten
bis auf wenige Experimente noch nicht verbreitet. Zwar gibt es auch hier
kompakte, auf 24 Stunden begrenzte Fundraiser wie die Telethons oder den
deutschen RTL Spendenmarathon. Doch diese laufen im Fernsehen und haben
keine Online-Fundraising-Komponente.
Chancen • Giving Days sind eine für NGOs effiziente Art, Spenden zu sam-meln,
da die Marketingaktivitäten von Partnern gestemmt werden.
• Lokale NGOs können ihre Bekanntheit steigern und ein Be-wusstsein
für die gemeinsamen Herausforderungen und Leis-tungen
einer Region schaffen.
• Giving Days sind eine gute Gelegenheit, die Kompetenzen der
teilnehmenden NGOs im Bereich Online-Fundraising und On-line-
Kommunikation zu stärken.
• Die Arbeit der Giving Days verteilt sich auf viele Schultern und
Partner können sich jeweils mit ihren Kompetenzen einbringen.
Risiken • Bislang ist ungewiss, ob das Format auch außerhalb der USA
funktioniert.
• Es müssen etwaige Transaktionskosten, die beim Online-Fund-raising
anfallen, offengelegt werden (Razoo nimmt von jeder
Spende 2,7 Prozent Gebühr).
• Wenn das Marketing nicht genug Menschen in der Öffentlich-keit
erreicht, droht ein schlechtes Kosten-Nutzen-Verhältnis.
• Die Erfolge von Giving Days sagen nichts darüber aus, ob Men-schen
insgesamt mehr spenden.
Fazit Giving Days konzentrieren soziales Engagement in Form von
Spenden auf ein Großereignis. Mit viel Tamtam und PR fiebern
NGOs, Unternehmen und Medien dem großen Tag entgegen,
um neue Spendenrekorde aufzustellen. Die mediale Wucht kann
nicht nur auf regionaler Ebene kleinen NGOs helfen, mehr Auf-merksamkeit
zu bekommen. Giving Days emanzipieren das Spen-denwesen
auch von der Weihnachtszeit. In Deutschland würde
ein Giving Day für frischen Wind sorgen. Langfristig muss aber
noch untersucht werden, ob Giving Days insgesamt zu einer ak-tiveren
und engagierteren Zivilgesellschaft führen.
G
Giving Days $ Trend
3
38
41. Give to the Max
givemn.razoo.com
Wenn Städte Helden sein könnten, wäre Minne-sota
ein Giving-Day-Superheld: Schon am ersten
Giving Day 2010 haben die Menschen dort 14 Mil-lionen
US-Dollar gespendet, 2012 waren es bereits
16 Millionen. Der letzte Giving Day vom 14. November 2013"– in
Minnesota läuft er unter dem Titel „Give to the Max“"– brach-te
mehr als 17 Millionen US-Dollar Spenden ein. Über 50.000
Menschen haben für 4.500 NGOs gespendet. Aber nicht nur
wer das meiste Geld sammelt, wird bei Give to the Max geehrt:
Auch besonders kreative Kampagnen bekommen Preise. Alle
Spenden wurden über die Plattform GiveMN, die auf der Inf-rastruktur
von Razoo aufbaut, abgewickelt.
Giving Days $ Cases3
39
42. Giving Tuesday
community.givingtuesday.org
Der Dienstag nach Thanksgiving ist jetzt weltweit
der #GivingTuesday. Das Hashtag ist Teil des
Namens und zeigt, dass es sich hier vor allem um
eine Social-Media-Kampagne handelt, die Geben
und Gutes-Tun via Twitter, Facebook usw. thematisieren und
verbreiten will. Die Kampagne hat aber auch wichtige Off-line-
Komponenten. Die teilnehmenden NGOs sind aufgefor-dert,
sich etwas ganz Besonderes für den #GivingTuesday aus-zudenken.
Zum Beispiel eine persönliche Belohnung für die
Spender, einen Tag der offenen Tür oder ein Event, an dem
sich jeder ehrenamtlich einbringen kann. Am ersten #Giving-
Tuesday Ende 2012 wurden 10 Millionen US-Dollar gespendet
(abgewickelt über die Online-Plattform Blackbaud), 2013 war
es schon doppelt so viel. Am 2. Dezember ist der #GivingTu-esday
des Jahres 2014.
Giving Days $ Cases
3
40
43. Razoo
razoo.com
Giving Days $ Cases3
Die Online-Plattform Razoo spielt eine wichtige
Rolle bei den Giving Days in den USA. Sie ist die
Spendenzentrale für alle Teilnehmer des Events,
leicht zu bedienen und Giving-Days-erprobt. Auch
einem Ansturm von Tausenden Spendern hält sie stand und
zeigt in Echtzeit den Spendenstand an. Auch an Tagen, die kei-ne
Giving Days sind, können Nutzer die Plattform verwenden.
Zum Beispiel indem sie eine eigene Spendenseite auf Razoo
anlegen, über die sie für „ihre“ ausgewählte Organisation als
Fundraiser Geld sammeln. Besonders erfolgreiche Fundraiser
werden in einem Ranking gelistet und bekommen so Anerken-nung
und Lob für ihr Engagement. 230 Millionen US-Dollar
wurden auf diesem Weg schon gesammelt. Razoo finanziert
sich über eine Bearbeitungsgebühr von fünf Prozent für NGOs
und acht Prozent für private Fundraiser.
41
44.
45. Crowdfunding
Crowdfunding $ Trend
Crowdfunding ist ein wichtiger Trend zur
Finanzierung von Projekten und Innova-tionen
geworden. Immer mehr Menschen
versuchen die Crowd von ihren Ideen
zu überzeugen, das nötige Startkapital
sammeln sie immer öfter online bei
Privatpersonen. Plattformen wie Kickstar-ter,
Indiegogo oder Startnext haben sich
mit ihren Geschäftsmodellen etabliert und
konkurrieren auf einem mehrere Milliar-den
Euro schweren Crowdfunding-Markt.
Crowdfunding ist eine Spezialform des Online-Fundraisings. Online-Fundraising
betreiben meist etablierte oder längerfristig angelegte soziale Initiativen auf ihrer
Website oder einer Spendenplattform wie Global Giving oder betterplace.org."Der
Begriff Crowdfunding hingegen wird meist dann verwendet, wenn die Geld suchen-den
Projekte ihren Unterstützern bestimmte konkrete Gegenleistungen in Aussicht
stellen. Das geht beim Spendensammeln nicht: In Deutschland dürfen Organi-sationen
über die Ausstellung von Spendenquittungen hinaus keine materiellen
Gegenleistungen anbieten, da die Spenden sonst nicht mehr steuerabzugsfähig
wären. (Verwirrend: Manche Crowdfunding-Plattformen stellen für gemeinnützige
Projekte auch Spendenquittungen aus.)
4
43
46. Crowdfunding $ Trend
4
Crowdfunding-Aktionen sind im Vergleich zum Online-Fundraising zeitlich und
thematisch meist stärker fokussiert: Es geht darum, ein in sich abgeschlosse-nes
Projekt oder Produkt in einem bestimmten Zeitraum zu finanzieren. Viele
Kunst- und Kulturprojekte haben sich in den letzten Jahren auf diese Art finan-zieren
können; bei Kickstarter sind Tanz-Projekte die erfolgreichste Kategorie.
Die größten Summen kommen meist für die Entwicklung innovativer Produkte
zusammen. Aber auch Projekte mit sozialer Zielsetzung sind auf Crowdfunding-
Plattformen vertreten.
Schon die Freiheitsstatue wurde über Crowdfunding finanziert
ft erscheint die Unterscheidung zwischen Spenden- und Crowd-funding-
Plattformen willkürlich. Crowdfunding ist als Begriff
momentan en vogue und so nutzen ihn viele Spendenplattfor-men
(die also keine Gegenleistungen anbieten) für ihre Vermark-tung
"– etwa die gerade in Deutschland gestartete Plattform So-cial
O
Impact Finance, auf der eine Handvoll ausgewählter Sozialunternehmer
Spenden sammeln. Eine weitere Spielart des Crowdfunding ist das Crowdinves-ting:
Interessenten erwerben online Unternehmensbeteiligungen an Start-ups,
die noch in der Startfinanzierungsphase sind. In den USA schaffte Präsident
Obamas JOBS Act eine gute rechtliche Basis für diese niedrigschwellige Finan-zierungsform
von Start-ups.
Ein historischer Vorläufer des Crowdfundings ist das Subskriptionsmodell, mit
dem im 17. und 18. Jahrhundert Bücher vorfinanziert wurden. Schon damals erhielt
der Sponsor eine Gegenleistung, indem sein Name auf dem Titelbogen genannt
wurde. 1885 wurde dann die Freiheitsstatue in New York ebenfalls mithilfe von
Schwarmfinanzierung, so der deutsche Name, errichtet.
Als eine der ersten Crowdfunding-Plattformen im Internet ermöglicht Sellaband
Musikern und Bands seit 2006, ihre Aufnahmen, Konzerte und Promotion vorzufi-nanzieren.
2008 wurde Indiegogo gegründet, Kickstarter folgte kurz darauf. Mitt-lerweile
gibt es auf allen Kontinenten Crowdfunding-Plattformen: in Frankreich
ulule und kisskissbankbank, in Großbritannien sponsume, in Spanien Lanzanos
und Verkami, in Deutschland Startnext, in Ghana Slicebiz etc.
Knapp 40 Prozent des Crowdfunding-Geldes fließen in soziale
Projekte
n den letzten Jahren erhielten eine Reihe von spektakulären
Crowdfunding-Aktionen große Medienaufmerksamkeit. So
sprengten auf Kickstarter gleich mehrere Projekte ihre selbst
gesetzten Finanzierungsbedarfe und schossen über die Millio-nengrenze.
Bei den meisten handelte es sich um Vorfinanzierun-gen
I
von Produkten wie dem Pebble oder Form 1. In Deutschland gelang es einer
Filmfirma, für den geplanten Film zur TV-Serie „Stromberg“ innerhalb von einer
Woche eine Million Euro einzusammeln.
Die Szene ist sehr dynamisch und stark wachsend. Einer Studie zufolge hatte
der weltweite Crowdfunding-Markt 2012 ein Volumen von 2,7 Milliarden US-Dollar.
Davon sollen mehr als eine Milliarde (38 %) sozialen Projekte zugute-gekommen
sein. Die meisten Crowdfunding-Initiativen gibt es in Nordamerika.
Der Markt in Europa wächst, und in Südamerika, Afrika und Asien entstehen
erste Plattformen.
44
47. Crowdfunding $ Trend
Zugleich entsteht rund ums Crowdfunding eine neue Szene. Philanthropie-Exper-tin
Lucy Bernholz vermutet, dass es im Zuge der Professionalisierung mittlerweile
Hunderte, wenn nicht Tausende Beratungsfirmen gibt, die Start-ups und Pro-jektmachern
beim Crowdfunding helfen. Die Plattformen selbst finanzieren sich
über Gebühren. So zahlen Projektmacher neben den Transaktionsgebühren (2 bis
5 % der Spendensumme) weitere 4 bis 9 % Nutzungsgebühren an die Betreiber.
Vorteile des Crowdfundings
islang war es für einzelne Künstler, Erfinder oder Sozialunter-nehmer
schwierig, sich Gehör zu verschaffen, geschweige denn
Geld zu sammeln. Denn die wenigsten haben Zugang zu Finan-zierungsformen
wie Bankenkrediten, öffentliche Förderprogram-men
oder die Finanzierung durch sogenannte Venture Capital
B
oder Business Angels. Doch übers Crowdfunding können sich Menschen und
Initiativen mit guten Ideen einer weltweiten Öffentlichkeit präsentieren und sie
für ihre Belange begeistern.
Weitere Vorteile:
1. Crowdfunding ermöglicht es Projektmachern, auf unkompli-zierte
Weise Startkapital zu sammeln. Kitepatch beispielsweise
ist ein kleines, chemikaliengetränktes Pflaster für die Haut,
das Moskitos verscheucht. Nachdem die Prototypen an der
University of California Riverside entwickelt worden waren,
kamen die für den Feldversuch in Uganda notwendigen Mittel
per Crowdfunding zusammen.
2. Durch Crowdfunding können Sozialunternehmer ihre Arbeit
skalieren. Für viele Innovatoren ist es schwierig, ausreichend
finanzielle Mittel aufzutreiben, um ein erfolgreiches Pilotpro-jekt
zur Marktreife bringen zu können. Hier können Crowd-funding-
Kampagnen helfen. So gelang es der Macherin von
LivelyHoods, einem Programm welches jungen Kenianern bei
der Jobsuche hilft, einen zweiten Standort zu finanzieren.
3. Crowdfunding-Projekte können über klassische Medien große
Reichweite bekommen und so das Bewusstsein für wichtige so-ziale
Themen verbreiten. So konnte Simon Griffiths, Gründer
des Unternehmens Who Gives A Crap, eine große Öffentlich-keit
dafür sensibilisieren, dass 2,4 Milliarden Menschen keinen
Zugang zu Toiletten haben. Seine Idee war es, Klopapier zu
verkaufen und 50 Prozent des Erlöses in Sanitärprojekte zu
investieren. Die 50.000 US-Dollar Startkapital sammelte er
auf einem Klo hockend. Er übertrug das Live-Video von sich
so lange, bis das Spendenziel erreicht war.
4. Über Crowdfunding können institutionelle Förderer ermes-sen,
ob ein Projekt Marktpotenzial hat. Eine große Zahl von
Unterstützern deutet auf eine gewisse Nachfrage hin, die Pro-jektmacher
nutzen können, um sich damit bei größeren Geld-gebern
zu bewerben.
Die Tatsache, dass Crowdfunding eine Art Reality Check für neue Ideen ist, hat
eine Reihe von Stiftungen dazu bewegt, in diesem Bereich aktiv zu werden. Die
Knight Foundation hat eine eigene Seite aufgebaut, über die Förderprojekte Geld
sammeln können. Je nachdem, wie viele Unterstützer die Projekte vorweisen
4
45
48. können, gibt die Stiftung eigene Fördergelder dazu. Ebenso startete die Skoll
Foundation auf der Plattform Crowdrise eine Crowdfunding Challenge für 57
Sozialunternehmer, bei der jede externe Spende verdoppelt wurde. Insgesamt
kamen über 3,4 Millionen US-Dollar zusammen.
Ohne gute Geschichte kein gutes Crowdfunding
ie das oben genannte Beispiel von Who Gives A Crap zeigt, zeich-nen
sich erfolgreiche soziale Crowdfunding-Aktionen durch ihre
besonderen Geschichten aus, die man gerne im Freundeskreis
weitererzählt. Auch Maria Springer versah ihre LivelyHoods-
Kampagne mit einem besonderen Twist. Sie startete mit 25 Pflas-tern
W
im Gesicht, von denen sie für jede 1.000-Dollar-Spende eines entfernte.
Nach 25 Tagen waren alle Pflaster weg, und sie hatte 27.074 US-Dollar von 251
Unterstützern gesammelt.
Da sich Geschichten am besten über Videos verbreiten lassen, raten viele Crowd-funding-
Plattformen ihren Nutzern, sich in einem zu präsentieren. Regelmäßige
Updates auf der Plattform und in Social-Media-Kanälen halten die Unterstützer
auf dem Laufenden. Erfolgreiche Projekte legen einen Grundstock für die Fi-nanzierung,
indem sie zuerst Freunde und Bekannte aktivieren, die das Projekt
in ihre eigenen Netzwerke tragen. Wenn es ein Projekt dann noch in die Massen-medien
schafft, kommt es oft zu einer weitere Spendenwelle.
Mittlerweile gibt es Hunderte Beratungs-firmen,
die beim Crowdfunding helfen.
Ganz oder gar nicht"– und andere Mechaniken der Crowdfun-ding-
Plattformen
in wichtiges Erfolgskriterium sind beim Crowdfunding auch
die Gegenleistungen. Dies können symbolische, aber auch ma-terielle
Dankeschöns sein, die Unterstützer im Gegenzug für
ihre Spende und nach Abschluss des Projekts erhalten. Je nach
Spendenhöhe sind die Gegenleistungen gestaffelt, wobei kleine
E
Beträge beispielsweise dadurch belohnt werden, dass der Name des Spenders
im Vorspann eines Films oder Buchprojekts erscheint. Für größere Beträge
bekommt man das Produkt zugeschickt oder kann an einer exklusiven Veran-staltung
teilnehmen.
Crowdfunding-Plattformen unterscheiden sich in ihrer Mechanik. So können über
Kickstarter bislang nur Projekte mit Sitz in Nordamerika und Großbritannien fi-nanziert
werden. Die Plattform selbst kuratiert und selektiert die Projekte stark.
Im Gegensatz dazu ist Indiegogo eine offene Plattform, auf der Projekte aus über
200 Ländern vertreten sind. Jene Projekte, die einen hohen sogenannten Gogo-
Faktor haben (Aktivität der jeweiligen Kampagne), werden von Indiegogo auf
der Homepage und in Social-Media-Kanälen besonders gefördert.
Auf manchen Plattformen, darunter Kickstarter, bekommen Projektmacher ihre
Gelder nur dann ausgezahlt, wenn die von ihnen angegebene Mindestsumme er-reicht
wurde. Andernfalls fließt das Geld wieder an die Spender zurück, da das
Crowdfunding $ Trend
4
46
49. Crowdfunding $ Trend
Projekt nur mit der gesamten Summe realisiert werden kann. Auf Indiegogo kann
man neben einer solchen „fixierten Finanzierung“ auch eine „flexible Finanzie-rung“
auswählen, bei der die Projektmacher alle eingegangenen Gelder erhalten.
Chancen • Innovatoren können relativ schnell und unbürokratisch Start-und
Skalierungskapital bekommen.
• Spender können Teil eines Projekts werden und an dessen Er-folg
teilhaben.
• Menschen können an vielen neuen kreativen Prozessen im Be-reich
Kunst, Kultur, Produktdesign und Soziales partizipieren.
• Crowdfunding ist eine gute Möglichkeit, die Resonanz einer
neuen Idee zu testen.
• Das Risiko für Geldgeber ist begrenzt, da viele Plattformen
nur dann auszahlen, wenn die für die Realisierung benötigte
Summe zusammengekommen ist.
Risiken • Die Tatsache, dass eine gute Idee online viele Unterstützer
gewinnt, sagt wenig über den realen Erfolg des Projekts aus.
Gutes Marketing kann dazu verleiten, unsinnige Projekte zu
finanzieren.
• Crowdfunding kann den öffentlichen Sektor dazu verleiten, ehe-mals
staatliche Aufgaben auf private Initiatoren und Geldge-ber
abzuwälzen. Eine Reihe von Plattformen wie Citizinvestor,
Spacehive oder das finnische Brickstarter richten sich explizit
an Bürger, die in ihren Kommunen Projekte realisieren wollen.
Es erscheint jedoch wenig sinnvoll, dass Bürger in Zukunft
selbst für einzelne Straßenlaternen oder die Begrünung eines
Parks zahlen sollen.
• Erfolgreiche Projekte erzielen oft ein Vielfaches ihres ursprüng-lichen
Finanzbedarfs, es ist jedoch nicht immer möglich, dieses
Geld sinnvoll einzusetzen.
Fazit Crowdfunding hat sich als Finanzierungsmethode für neue Pro-dukte
und künstlerische Werke (Musik, Bücher etc.) etabliert.
Wer eine Idee realisieren möchte, umgeht komplizierte und zeit-aufwendige
Förderprogramme oder klassische Finanzierungs-methoden
und stellt stattdessen ein überzeugendes Video auf
einer Crowdfunding-Plattform ein. (Wenn sich das Projekt al-lerdings
nicht bald selbstständig herumspricht (Viralität), kann
die Aktivierung von Menschen und Netzwerken viel Zeit in An-spruch
nehmen.) Zentraler Erfolgsfaktor beim Crowdfunding
ist die Überzeugungskraft des Konzeptes oder der Geschichte.
Insgesamt ist Crowdfunding ein Beispiel für das Verknüpfungs-potenzial
des Internets: Privatpersonen und ihre Bedürfnisse su-chen
und finden sich schnell und unkompliziert (Long Tail). So
werden alte und teilweise behäbige Strukturen umgangen bzw.
herausgefordert.
4
47
50. SliceBiz
slicebiz.com
SliceBiz ist eine Crowdfunding-Plattform für die
Finanzierung von sozialen Start-ups in Ghana.
Obwohl innovative Ideen durch Hubs und Wett-bewerbe
immer stärker gefördert werden, sei es
Crowdfunding $ Cases
4
selbst für die besten Ideen in Ghana immer noch schwierig, sich
zu finanzieren, sagt der Gründer von SliceBiz, William Senyo.
Auf SliceBiz kann man in ausgewählte und überprüfte Sozial-unternehmen
investieren und im Gegenzug mit einer kleinen
Gewinnbeteiligung rechnen. Eine große Chance sieht Gründer
Senyo in den westafrikanischen Migranten im Ausland, die
ihre Heimat finanziell unterstützen wollen. SliceBiz startete im
März 2014 und ist noch in der Beta-Phase. Die Macher haben
große Pläne: Ab 2015 will die Plattform das Angebot auf ein
Nachbarland und schließlich auf ganz Afrika ausweiten.
48
51. Ulule
de.ulule.com
Crowdfunding $ Cases
Ulule ist die erste europäische Crowdfunding-
Plattform und funktioniert in sechs Sprachen.
Auf der Plattform werben verrückte, kreative und
halsbrecherische Projekte um Unterstützung: von
der Goulash Disko in Kroatien bis hin zur Rettung der letz-ten
Lemuren auf Madagaskar. Privatpersonen, Vereine oder
Unternehmen präsentieren auf der Plattform ihr Projekt, ihr
finanzielles Ziel und die Länge der Crowdfunding-Kampagne.
Dafür reizen sie mit Gegenleistungen als Dankeschön für die
finanzielle Unterstützung (z.B. eine DVD bei einem finanzier-ten
Kurzfilm). Sobald das Ziel erreicht ist, erhält der Projekt-macher
das gesammelte Geld. Nur in diesem Fall nimmt Ulule
eine Provision von acht Prozent. Wird das finanzielle Ziel nicht
erreicht, so bekommen alle Unterstützer ihr Geld zurück. Über
5.000 Projekte haben sich auf Ulule erfolgreich startfinanziert
(Erfolgsquote 67 Prozent), mehr als 17 Millionen Euro aus über
130 Ländern wurden dafür gesammelt.
4
49
52. Yomken
yomken.com
Yomken ist die erste gemeinnützige Open-Inno-vation-
und Crowdfunding-Plattform in der ara-bischen
Welt. Auf Yomken schildern Kleinun-ternehmer
Probleme und die entsprechenden
Crowdfunding $ Cases
4
Lösungsansätze. Zum Beispiel hat ein Metallhändler eine Idee,
wie er Getränkedosen recyceln kann. Nur wie und wo er die-se
dann weiterverkaufen kann, weiß er noch nicht. Auf Yom-ken
bittet er um Hinweise und finanzielle Unterstützung für
Dosenpressen. Unterstützer können also mit Ideen oder Geld
helfen. Für Geld gibt’s eine gepresste Dose oder ein anderes
Dankeschön. Eine Gruppe von Ehrenamtlichen bewertet die
angebotenen Lösungen, um die beste für die Umsetzung zu
wählen. Ist der nötige Geldbetrag zusammen und eine Idee aus-gewählt,
initiieren der Kleinunternehmer und der Problemlöser
gemeinsam die Produktion. Yomken bedeutet im Arabischen
„es ist möglich“.
50
55. Shareconomy
Shareconomy $ Trend
In materiell gesättigten Gesellschaften
streichelt Besitz schon lange nicht mehr
das Ego. Immer mehr Menschen empfin-den
zu viele Dinge sogar als Belastung,
kehren der konsumorientierten Überfluss-gesellschaft
den Rücken und leben mini-malistisch.
(In Anlehnung an die Lohas
spricht man auch von Lovos, Lifestyle of
Voluntary Simplicity.) Doch wer ein Loch
in die Wand bohren will, braucht eine
Bohrmaschine. Weil so ein Werkzeug aber
aus Mangel an benötigten Löchern vor
allem ungenutzt herumliegt, verleihen sich
Menschen immer häufiger Werkzeuge und
allerlei andere Dinge. Mithilfe entspre-chender
Online-Plattformen und sozialer
Medien kann man den Verleiher in der
Nähe einfach kontaktieren. So entsteht
eine neue Shareconomy.
Das Internet macht’s der Shareconomy leicht: Kontaktaufnahme, Kommunikation
und Bezahlung lassen sich mit wenigen Klicks oder Berührungen des Touchscreens
abwickeln. Auf einer Karte wird die nächstgelegene, verfügbare Bohrmaschine an-gezeigt.
Oder der nächste freie Raum, den man für eine Veranstaltung braucht.
Und natürlich das nächste Auto einer Carsharing-Firma. Ursache für diesen Trend
ist ein Bewusstseinswandel in der Gesellschaft. Nachhaltigkeit ist in aller Munde,
und knapper werdende Energie und Rohstoffe führen zu dem Verlangen, Ressour-cen
effizienter zu nutzen, um die Umwelt zu entlasten. Seit der Wirtschaftskrise
5
53
56. 2007/2008 hinterfragen immer mehr Menschen das eigene Konsumverhalten. Dass
sich Online-Kampagnen wie The Story of Stuff viral verbreiten, zeigt, dass das
Thema in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Dies gilt allerdings nur für
materiell gesättigte Gesellschaften, wozu auch Südkorea zählt: Der Bürgermeister
von Seoul, Won-soon Park, erklärte die Hauptstadt 2012 zur Sharing City.
Der Trend zum Tauschen und Teilen ist also eine Gegenbewegung zur Überpro-duktions-
und Wegwerfkultur. Das Umweltbundesamt stellte schon 1997 in seinem
Bericht „Nachhaltiges Deutschland"– Wege zu einer dauerhaft-umweltgerechten
Entwicklung“ fest, dass die „Umorientierung des Konsums im Hinblick auf eine
Nutzung der Produkte anstelle ihres Besitzes“ ein „bedeutsamer neuer Aspekt“ ist.
Eine private Bohrmaschine wird im Laufe ihres Lebens durchschnittlich 45 Stun-den
genutzt, obwohl sie 300 Stunden problemlos schaffen würde. Wird die Bohr-maschine
geteilt, wird auch die Nutzungsdauer besser ausgeschöpft. Außerdem
müssen weniger Maschinen hergestellt werden. Der geteilte Konsum reduziert
so die Gütermengen und schont Ressourcen, ohne dass wir unseren Lebensstan-dard
senken müssen. Die NGO Peers.org zeigt, wie Shareconomy-Initiativen dazu
beitragen, eine nachhaltige Welt zu schaffen: Carsharing in den USA kann den
nationalen CO2-Ausstoß um 27 % reduzieren.
Das Internet verändert unsere Einstellung zu Besitz
ie grundsätzliche Idee des geteilten Konsums ist nicht neu:
Wohngemeinschaften, Büchereien, Baugenossenschaften und
Waschsalons sind Beispiele für bestehende gemeinschaftliche
Nutzungsformen, die es schon seit Jahrzehnten gibt. Doch die
aktuelle Bewegung nutzt digitale Kanäle und erhöht dadurch
D
Reichweite und Vielfalt. Plattformen wie Peerby, Fairleihen und Kleiderkreisel
machen es möglich, Dinge, die man nur vorübergehend braucht, in der" Nachbar-schaft
zu leihen. Tauschgeschäfte zählen auch zur Shareconomy, weil bestehende
Ressourcen gemeinsam genutzt werden, statt sie neu zu kaufen.
Als Vernetzungs- und Verwaltungstool ermöglicht das Internet nicht nur, Dinge
innerhalb großer Gruppen zu teilen. Es hat mit seinem kollaborativen Wesen
auch die Einstellung der Menschen verändert. Sie erfahren täglich im Internet,
dass dort exklusives Eigentum nicht nötig ist, um Dinge nutzen zu können. Bei-spiele
wie Wikipedia, Creative-Commons-Lizenzen oder cloudbasierte Dienste
wie Dropbox zeigen, dass weite Bereiche des Netzes auf dem Prinzip des Tei-lens
aufgebaut sind.
Wer leiht, lernt neue Leute kennen
ine wichtige Voraussetzung der internetgestützten Leih-, Miet-und
Tauschmodelle ist Vertrauen. Vertrauen darauf, dass Dinge
von unbekannten Menschen gut behandelt und Abmachungen
eingehalten werden. „Vertrauen ist die neue Währung“, postu-liert
auch Rachel Botsman, die zusammen mit Roo Rogers das
E
viel zitierte Buch „What’s mine is yours. The Rise of Collaborative Consumption“
geschrieben hat. Damit Vertrauen entstehen kann, haben User ein Nutzerprofil
und Bewertungsmöglichkeiten. Zunehmend werden auch Social-Media-Profile
also etwa Facebook-Profile für den Aufbau von Vertrauen im Netz hinzugezogen.
So entstehen innerhalb der Leih- und Tauschnetzwerke neue Gemeinschaf-ten
zwischen Privatpersonen, ob beim Treffen zum Kleidertausch, wenn Autos
Shareconomy $ Trend
5
54
57. Shareconomy $ Trend
gemeinschaftlich genutzt werden oder in Communitys wie WHYown.it, in der
man sein Freundes-Netzwerk nach den benötigten Dingen durchsuchen kann.
Richtiger Used-Look durch Jeans-Leasing
ouchsur&ng.org, die aktuell größte Plattform für kostenfreie Schlaf-plätze
in privaten Wohnungen, hat eine aktive Community von 6
Millionen Menschen in mehr als 100.000 Städten weltweit. Im
Jahr 2012 wurden mehr als vier Millionen Sofas „gesurft“. Der
C
Community-Marktplatz Airbnb hat Wohnungs-Sharing berühmt gemacht. Pri-vate
Vermieter können ihr Zuhause an Menschen vermieten, die eine Unterkunft
fernab des Pauschaltourismus suchen. Mehr als zehn Millionen Übernachtungen
wurden über Airbnb gebucht. Und auch das Carsharing wächst kontinuierlich:
Anfang 2012 nutzten laut dem Bundesverband CarSharing insgesamt 220.000
Menschen ein geteiltes Auto. Aller Voraussicht nach werden diese Zahlen wei-ter
steigen. Dafür sprechen die Ergebnisse einer Umfrage zum Umweltbewusst-sein
(2010), nach der 26 Prozent der Autofahrer Carsharing attraktiv finden. In
vielen Städten weltweit gibt es mittlerweile Bike- oder Carsharing-Angebote. In
Deutschland können Menschen Autos von Privatpersonen über Tamyca, Nach-barschaftsauto
und Autonetzer leihen.
Eine private Bohrmaschine wird nur 45
Stunden genutzt, obwohl sie 300 Stunden
schaffen würde.
Auf der einen Seite gibt es den „Nutzen statt Besitzen“-Ansatz wie z.B. Carsha-ring
oder „Jeansleasing“, wobei Dinge temporär zugänglich gemacht werden,
das Eigentum verbleibt dabei beim Anbieter"– der ein Unternehmen oder eine
Privatperson sein kann. Diese Form des Konsums ohne Eigentum wird auch Pro-duct
Service Systems genannt. Auf der anderen Seite gibt es eigentumsbasierte
Ansätze wie z.B. Tauschbörsen oder Reparaturangebote wie Netcycler, bei denen
Dinge für wenig bis kein Geld oder für eine kleine Gegenleistung ihre Besitzer
wechseln, aber weiter Eigentum einer Person bleiben"– deshalb spricht man auch
von Redistribution Markets.
„Ich hab noch Auflauf übrig!“
m Bereich der Sharing-Dienstleistungen haben sich in den letz-ten
Jahren viele neue Geschäftsmodelle herausgebildet. Dazu
gehören öffentliche Angebote (Public Sharing) wie kommunale
Fahrradverleihsysteme sowie Sharing- und Pooling-Plattformen,
die geteilten Konsum von Privat zu Privat ermöglichen. Beispiele
I
sind hier Frents, Leihdirwas oder Flinc, die App für kurzfristige Mitfahrgelegen-heiten
innerhalb eines sozialen Netzwerks.
Der Shareconomy-Ansatz entwickelt sich weiter und wird dabei in immer mehr
Bereichen des alltäglichen Lebens integriert. So wird beim Coworking die Büro-fläche
geteilt, Taxis und Gärten werden gemeinschaftlich genutzt, Parkplätze und
Fähigkeiten werden geteilt, ja sogar Jobs. „Lebensmittel teilen statt wegwerfen“
5
55
58. heißt es bei foodsharing.de. Wer Reste von der letzten Party übrig hat, in den Ur-laub
fährt oder als Bäcker ständig Brötchen wegschmeißen muss, kann die Le-bensmittel
bei foodsharing.de kostenlos anbieten. Umgekehrt finden Nutzer über
die Plattform Nahrungsmittel in ihrer Umgebung, die sie bei Bedarf schnell ab-holen
können. Auch kann man sich zum gemeinsamen Kochen verabreden, um
überschüssige Lebensmittel loszuwerden.
Chancen • Tauschen, Teilen und Mieten spart Ressourcen (Energie, Roh-stoffe)
und reduziert den individuellen CO2-Fußabdruck.
• Shareconomy spart Kosten und Müll.
• Die Shareconomy fördert soziale Interaktionen und bringt Men-schen
zusammen.
• Die Shareconomy fördert eine neue Art des Wirtschaftens, die
auf Wir statt Ich basiert"– kommunal statt Kapital.
Risiken • Das Angebot ist bisher stark fragmentiert und unübersichtlich
(schreckt neue Nutzer ab).
• Ein Nachweis über die tatsächliche Wirkung der Shareconomy
bezüglich Ressourcenschonung ist noch nicht erbracht.
• Die größeren gesellschaftlichen Konsequenzen der Sharing
Economy sind unklar: Standards in Bezug auf Sicherheit und
Arbeitsschutz könnten umgangen werden. Neue informelle Ein-nahmequellen
gehen momentan oft an der Steuer vorbei, sodass
dem Staat wichtige Einnahmequellen verloren gehen, die fürs
öffentliche Wohl eingesetzt werden könnten."
Fazit Das „grüne Bewusstsein“ in Deutschland und anderen Indust-rieländern
führt zu einem Bedeutungsverlust von materiellem
Besitz. Immer mehr Menschen möchten Ressourcen schonen.
Internet und soziale Netzwerke ermöglichen nun das neue Kon-sumverhalten
des Teilens und Tauschens. Das Potenzial dieses
Trends ist groß. Doch obwohl sich die alternativen Nutzungs-strategien
ausbreiten, sind sie noch Nischenphänomene. Doch
die verschiedenen Angebote und die zunehmende Professionali-sierung
der Leih-Industrie steigern das Vertrauen in die Share-conomy
insgesamt, was zu größerer Beliebtheit und Reichweite
führen kann. Ein entscheidender Faktor für den dauerhaften
Erfolg der Shareconomy-Bewegung wird der Aufwand für das
Ausleihen sein"– je geringer, desto besser.
Shareconomy $ Trend
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59. Couchsurfing
couchsur&ng.org
Shareconomy $ Cases5
2003 ursprünglich als NGO gegründet, ist Couch-surfing
einer der Vorreiter in der digitalen Shareco-nomy.
Das Prinzip des Gastfreundschaftsnetzwerks
ist einfach: Als Nutzer kann man entweder einen
freien Schlafplatz anbieten oder einen suchen. Ob in Berlin oder
Bangkok, bei sieben Millionen Mitgliedern wird man schnell
fündig. Gegenleistungen, also etwa selbst einen Schlafplatz
bereitzuhalten, sind nicht nötig, aber gern gesehen. Geld zu
verlangen oder zu bezahlen ist verboten. Die Gäste können ihren
Gastgeber bewerten und Kommentare abgeben. Da es in der
Vergangenheit vereinzelt zu Übergriffen und Missbrauch kam,
hat Couchsurfing mehrere Sicherheitsprinzipien entwickelt, die
aber optional sind. Es wurde beispielsweise ein Bürgschaftssys-tem
der Mitglieder untereinander eingeführt. Kritik erntete die
Plattform wegen ihrer zunehmenden Kommerzialisierung ab
2011 und der damit verbundenen Umstellung der Geschäftsbe-dingungen
und Unternehmensstruktur zu einer GmbH. Dadurch
wurden Mitglieder der ersten Stunde, die sich als Aktivisten für
die Idee des Couchsurfings sahen, abgeschreckt und wechselten
zu anderen Plattformen wie BeWelcome.
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60. Foodsharing
foodsharing.de
In Deutschland werden jedes Jahr Lebensmittel
im Wert von etwa 22 Millionen Euro weggewor-fen.
„Nicht hinnehmbar!“ fanden die Gründer
von Foodsharing und baten erfolgreich auf der
Shareconomy $ Cases
5
Crowdfunding- Plattform Startnext um Unterstützung für ihre
Idee. Als Nutzer kann man auf Foodsharing.de virtuelle Essenskörbe
mit seinen Essensresten erstellen, diese dann an örtliche Fair-
Teiler (also Verteilstationen) bringen oder von anderen Mit-gliedern
abholen lassen. Fehlen einem einmal ein paar Zutaten,
kann man nachsehen, ob diese in der Nachbarschaft verfügbar
sind"– und hat man selbst mal nur Milch und Eier im Haus,
kann man sich mit jemandem, der Mehl hat, zum Pfannkuchen-backen
verabreden. Die Idee kommt gut an: Mehr als 9.000
Essenskörbe wurden schon verteilt und 40.000 Nutzer haben
bislang mitgemacht (Stand: Juni 2014). Bevor es in den Urlaub
geht und Lebensmittel im Kühlschrank verschimmeln, lohnt
sich auf jeden Fall ein Besuch bei Foodsharing.
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